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Archiv-Artikel

„Ossis ohne Netzwerke“

taz: Frau Kulick, warum sind Ostdeutsche bei Chefpositionen weniger gefragt?

Helma Kulick: Dass sie nicht gefragt sind, stimmt so nicht, oder besser, nicht mehr. Es kommt immer häufiger vor, dass für Firmen in den neuen Ländern gezielt nach ostdeutschen Führungskräften gesucht wird. Man hat die Erfahrung gemacht, dass sie sich leichter in die hiesigen Strukturen integrieren, was auch eine mentale Frage ist. Sie kennen die Verhältnisse besser. Es besteht seltener die Gefahr, dass sie schnell wieder weg sind, weil es ihnen im Osten nicht gefällt.

Also kein Problem der Führungsstärke?

Ganz sicher nicht. Aber es gibt schon Unterschiede, wie ost- und westdeutsche Manager agieren. Ostdeutsche sind eher gruppenorientiert, auch als Chef. Sie teilen Anerkennung mit dem Team. Und macht ein Mitarbeiter einen Fehler, stellt sich ein Ostleiter eher vor ihn und betrachtet den Fehler auch als seinen eigenen.

Ist es in Firmen zu spüren, ob sie von einem Ost- oder Westdeutschen geführt werden?

Man kann das nicht pauschal beantworten. Aber ich habe beobachtet, dass Betriebe, die auch nach der Wende nahtlos von Ostdeutschen geleitet wurden, von den Mitarbeitern noch als die eigenen betrachtet werden. Westdeutsche haben eine distanziertere Haltung, es gibt zwar die enge Bindung an den Job, weniger aber an die Firma. Außerdem ist man in den Ostfirmen enger beieinander, weil man vieles gemeinsam durchgestanden hat.

Bei so viel Positivem – warum haben es so wenige Ostdeutsche ganz nach oben geschafft?

Ganz einfach: Sie haben zu wenig Netzwerke. Ohne die geht zum Beispiel in der Politik gar nichts. Ostdeutsche investieren nicht genug in diese Verbindungen, und wollen es oft auch nicht. Natürlich sind das oft Zirkel der reinen Selbstdarstellung. Mancher Ostdeutsche sagt, die Zeit, die ich da vertue, nutze ich lieber am Schreibtisch. Was natürlich auch falsch ist, denn in diesen Netzwerken kann man schon wichtige Kontakte knüpfen und Informationen bekommen. In der Praxis zeigt sich leider immer wieder, dass die Netzwerke nach wie vor streng getrennt sind in ost- und westdeutsche, so wie es bei Freundeskreisen häufig noch ist.

INTERVIEW: HEIDRUN HANNUSCH

Hinweis: HELMA KULICK (45) stammt aus Pasewalk und ist Headhunterin bei Kienbaum Consultants International in den neuen Bundesländern