IN AFGHANISTAN MÜSSEN ENDLICH DIE WARLORDS ENTWAFFNET WERDEN : Der US-Wahlkampf als Chance
Ob der Anschlag auf Kabuls Luxushotel Intercontinental von Kämpfern der Taliban, des Terrornetzes al-Qaida, des islamistischen Warlords Gulbuddin Hekmatjar oder gar von mafiösen Elementen aus dem Umfeld der Regierung durchgeführt wurde, ist unklar und dürfte den meisten Bewohnern Kabuls egal sein. Klar ist dagegen: Die Lage ist nicht nur auf dem Land labil, sondern selbst in der Hauptstadt – trotz internationaler Friedenstruppe.
Gut, Kabul ist nicht Bagdad. Trotzdem wies vergangene Woche General John Abizaid, der Führer des US Central Command, darauf hin, dass die Militäroperationen in Afghanistan so schwierig seien wie im Irak. Zwar sind die Taliban schon vor zwei Jahren gestürzt worden, doch der Krieg ist noch nicht vorbei. Schlimmer noch: Es gibt nicht nur neuerlichen Widerstand mutmaßlicher Taliban, sondern auch der Frieden ist noch nicht gewonnen. Teile des Landes stehen auf der Kippe, da sie wegen ihrer schlechten Sicherheitslage zunehmend von Hilfe abgekoppelt werden. Dabei haben die Afghanen noch Hoffnung. Sie sehen eine realistische Chance für eine friedliche Entwicklung, wenn das Engagement für Sicherheit und Wiederaufbau jetzt deutlich verstärkt würde. Eine landesweite Entwaffnung gilt allgemein als vorrangig.
Ein solche Entwaffnung war jedoch lange kein Thema, weil die Amerikaner Warlords für ihren Kampf eingespannt und deren Macht so gesteigert hatten. Jetzt hat die Entwaffnung zaghaft begonnen. Sie dürfte jedoch kaum gelingen, wenn sie nicht von der internationalen Gemeinschaft auch mit militärischem Druck und mehr finanziellen Anreizen durchgesetzt wird.
Eine Ironie der Geschichte ist: Fühlten sich die Afghanen in den letzten Monaten wegen Washingtons Krieg im Irak vernachlässigt, könnte ihnen der US-Wahlkampf eine neue Chance geben. Denn nachdem die Lage im Irak für Washington immer mehr zum Fiasko zu werden droht, braucht die US-Regierung jetzt dringend einen Erfolg in Afghanistan. Dafür bräuchte sie allerdings mehr Fingerspitzengefühl, als sie es in Afghanistan und Irak bisher gezeigt hat. SVEN HANSEN