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Archiv-Artikel

Tödlicher Anpassungskünstler

Eine Infektion mit dem Pilz Candida kann für Schwerkranke tödlich sein. Der Darmpilz ist extrem anpassungsfähig und hat besondere Abwehrmechanismen gegen Medikamente. Doch die Candida-Forscher sind den Tricks der Pilze auf der Spur

Doch ob der Pilz der Verursacher dafür war, ist schwer auszumachenCandida kannOrgane befallenund zu einer Blutvergiftung führen

VON KATHRIN BURGER

Aus den Boulevardblättern ist das Thema Darmpilz und dessen Erreger Candida albicans weitgehend verschwunden – und damit auch aus der Öffentlichkeit. Zeitweise war der Pilz für alles verantwortlich gemacht worden, was im Magen oder Darm drückte. Doch ob der Pilz der Verursacher dafür war, ist schwer auszumachen, weil der Pilz auch als harmloser Keim den menschlichen Körper bewohnt. So ist er häufig in Stuhlproben, im Mund oder auch an den Füßen von Gesunden nachweisbar.

Der Keim kann allerdings auch anders: Er wird lebensbedrohlich, wenn das Immunsystem eines Menschen so schwach ist, dass es sich nicht mehr wehren kann. Das ist der Fall auf der Intensivstation, wo alte Menschen, HIV-Kranke, Krebspatienten während einer Chemotherapie oder Patienten nach einer Transplantation liegen. Dann kann Candida innere Organe befallen und zu einer schweren Blutvergiftung führen. Jede zweite dieser Infektionen verläuft laut Ärztezeitung tödlich.

Und die gefährlichen Candida-Fälle treten weltweit immer häufiger auf. „Die Fortschritte in der Medizin ermöglichen es, dass auch schwerkranke und alte Patienten akute Erkrankungen immer länger überleben können“, so Professor Udo Kaisers von der Charité in Berlin. Viele Patienten auf der Intensivstation benötigten zudem eine Behandlung mit Antibiotika. Das zerstöre die Darmflora und Candida könne sich dann ungehindert ausbreiten.

So steht der Pilz bereits auf Platz vier der Krankenhausinfektionen in den USA. In deutschen Kliniken ist der häufigste Erreger Staphylococcus aureus – ein Bakterium. Ihm folgt Candida albicans auf Platz fünf, mit 11,2 Prozent der Infektionen, laut aktuellen Daten des „Nationalen Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen“.

Ob die Patienten sich erst im Krankenhaus etwa über einen Katheter anstecken, oder ob sie den Erreger bereits in sich tragen und er dann zur Infektion führt, ist in vielen Fällen unklar.

Gegen den Keim sind Ärzte häufig machtlos. Einmal, weil die Diagnose sehr schwierig ist. Sie kann oft erst gestellt werden, wenn jedes Gegenmittel zu spät kommt und der Patient bereits verstorben ist.

Außerdem ist Candida extrem anpassungsfähig und es kommen verschiedene Candida-Arten im Krankenhaus vor. So sind einige Candida-Arten gegen Standard-Mittel wie das Fluconazol resistent.

Zudem besitzt der Pilz die Fähigkeit, sich als „Biofilm“, eine Art mikrobieller Wohngemeinschaft, zu organisieren. Zellen an der Oberfläche des Biofilms sind spezialisiert, pilztötende Medikamente einfach auszuspülen. Sodass die darunter gelegenen Zellen unbeschadet davonkommen. Candida-Zellen kommunizieren über einfache Moleküle, treffen „Entscheidungen“ gemeinsam und widerstehen so Angriffen. Dieses Können stammt aus einer Zeit, als die Vorfahren des Pilzes sich in der freien Natur an die unterschiedlichsten Lebensbedingungen anpassen mussten.

Doch Candida-Forscher weltweit sind den Tricks der Pilze auf der Spur. Sie entdecken seine Schwachstellen. Professor Joachim Morschhäuser von der Universität Würzburg erforscht etwa die Signalstoffe, mit denen sich Candida von der harmlosen Hefe in eine aggressive Fadenform wandelt. „Wir versuchen den Infektionsprozess besser zu verstehen, um ihn letztlich blockieren zu können“, so der Würzburger Candida-Experte.

Die Forscherin Kaaren Vargas von der Iowa University in den USA beschäftigt sich ebenfalls mit der Wandlungskunst des Pilzes. Sie hat kürzlich herausgefunden, dass Candida albicans vier verschiedene Gestalten annehmen kann. Zwei davon waren nicht gegen Fluconazol gefeit.

Zu den Fortschritten in der Grundlagenforschung kommt ein neues pilztötendes Medikament, das endlich auch Erfolg bei der Behandlung verspricht: Die Echinocandine waren in klinischen Tests besser wirksam gegen Candida als Fluconazol.

Und: die Nebenwirkungen waren wesentlich harmloser. „Weil das Mittel auf einem anderen Prinzip basiert“, erklärt Kaisers. Fluconazol und andere Azole wie das Amphotericin B stören den Aufbau der Zellmembran, genauer die Synthese des Ergosterol. Dadurch kann sich der Pilz nicht mehr richtig vermehren. Ergosterol kommt aber auch in menschlichen Zellen vor. Sodass etwa während einer Amphotericin-Therapie akutes Nierenversagen auftreten kann. Das Caspofungin hemmt hingegen einen Bestandteil der Zellwand, den es nur in Pilzzellen gibt: das Glukan. Das Medikament ist daher besonders gut verträglich und fügt auch Azol-resistenten-Stämmen Schaden zu.

Viele Forscher sprechen schon von einem Durchbruch in Sachen Candida-Therapie. Auch Kaisers sieht in dem Mittel einen großen Fortschritt. Bisher weiß man allerdings noch nicht, mit welchem Trick die Echinocandine dem Biofilm-Gefüge zusetzen. Und ob der Wandlungskünstler nicht bald auch gegen diese Waffe einen Schutzmechanismus entwickelt.