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Archiv-Artikel

Das hört sich doch wieder gut an

Unsere Geschenketipps in diesem Jahr: Hörbücher für Erwachsene, Hörspiele und Märchen für Kinder. Und wer lieber weghört, dem seien noch einige Geschäfte empfohlen, wo man Außergewöhnliches einkaufen kann – vielleicht ja auch für sich selbst

VON KATHARINA JABRANE

Das Hörbuch hat sich fast zu einem eigenen Genre entwickelt: zumindest verkaufstechnisch für die Verlage. Die Produktionen und auch die Abverkäufe steigen von Jahr zu Jahr. Grund, auch diesmal unsere Tradition zu pflegen und einige hörenswerte Stücke für den Gabentisch zu empfehlen.

Alle Jahre wieder …

Dieses Stück sollte man der besten Freundin schon vor Weihnachten schenken. Wenn sie einen Mann und Kinder zu versorgen hat, sich mit unliebsamen Schwiegereltern herumärgert, niemals einen vollen Kühlschrank bei der Rückkehr von einer Reise vorfindet, stattdessen jedoch einen überfüllten Wäschekorb, dann wird sie dankbar für diese kleine Erfrischung im vorweihnachtlichen Chaos sein. Unprätentiös, aber mit großem Vergnügen schildert Evelyn Sanders, wie es aussieht, das alljährliche kleine Drama vor dem Fest der Wünsche und Wunder.

Doris Wolters leiht ihr eine wohl klingende Stimme, der man selig lächelnd oder gemein feixend gern lauscht, wenn es um verlorene Weihnachtspost, verwaiste Nachbarkatzen, verlegte Kuchenrezepte und um eine besonders schmackhafte Truthahn-Zubereitung mit sehr viel Whisky geht. Dabei bekommen alle ihr Fett weg, ohne dass Sanders jemals richtig bösartig wird. Dieses Hörstück ist leichte Unterhaltung, die sich gut in einer schwierigen Zeit, der vorweihnachtlichen, hören lässt.

Evelyn Sanders: „Alle Jahre wieder … der gleiche Stress!“. Audiobuch Verlag, 2 CDs, 19,90 €

Meeresrand

Eine Mutter macht sich auf den Weg. Mit ihren beiden Jungs will sie ans Meer fahren. Das hat sie ihnen verraten. Mehr wissen die Kinder nicht. Auch nicht, dass sie am Ende der Reise das Leben verlieren werden. Für sanfte Gemüter und überforderte Mütter ist diese Geschichte als Weihnachtsgeschenk nicht geeignet. Für Freunde dichter Dramatik und bestechender Sprache schon. Die Not und Verzweiflung der jungen Mutter ist so groß, dass sie nicht mehr weiterweiß. Aber bevor sie schließlich bis zum Äußersten geht, sollen ihre Kinder noch zum ersten Mal in ihrem jungen Leben das Meer sehen, Spaß haben und sich über diese letzte Reise freuen, von der sie nicht wissen, dass es ihre letzte sein wird.

Die mal spröde, mal leichte, weiche und zerbrechliche, manchmal wütende, dann wieder fast tonlose Stimme von Gilla Cremer breitet im bisweilen schmerzhaften Zusammenspiel mit dem Violoncello von Patrick Cybinski das ganze Elend dieses Lebens am Rande der Gesellschaft aus. Doch gibt es auch fröhliche Momente im Leben der Mutter, hoffnungsvolle Lichtblicke und ganz viel Liebe zwischen den Brüdern, Liebe der Mutter, Liebe der Kinder. Die Tragik tut weh, und ein versöhnliches Ende darf man bei dieser Geschichte nicht erwarten.

Véronique Olmi: „Meeresrand“. Verlag Hoffmann & Campe, 17,90 €

Fleischeslust

Was passiert, wenn ein gelegentlicher Fleischesser eine eingefleischte Veganerin trifft? Bei T. C. Boyle geht die Geschichte erst einmal gut aus. Natürlich bleibt das nicht so. Und in der Zwischenzeit passieren eine ganze Menge skurriler Dinge. Jim liegt am Strand und träumt, als ein Hund ihn anpinkelt. Bevor er sich das Mistvieh packen kann, erscheint Alena, dessen wunderschöne Besitzerin. Jim lässt sich milde stimmen, folgt ihr gern in den Strandbungalow und findet sich unversehens konfrontiert mit Dokumentationen schrecklicher Tierquälereien und der Unmöglichkeit, Fleisch zu essen.

Alena ist eine sehr engagierte Tierschützerin, und so muss Jim wohl oder übel einen ganzen Tag vor einem Pelzgeschäft demonstrieren, wobei er hofft, keiner seiner Kollegen möge zufällig hier erscheinen, ist er doch offiziell krankgemeldet. Damit nicht genug. Er soll auch noch beim Überfall auf eine Truthahnfarm mitmachen, bei dem die armen Tierchen befreit werden sollen. Die Aktion gelingt, doch endet sie anders als erwartet.

T. C. Boyles Helden haftet stets etwas Tragisches an. So auch jenem hilfsbereiten Freund, der die russische Geliebte eines anderen vorübergehend bei sich aufnimmt. Sehr bald belegt sie seine gesamte Wohnung mit allen möglichen Dingen und fragt ihn, weshalb es eigentlich keine Männer mehr gebe, die bereit seien, aus Liebe zu sterben. Man ahnt schon, dass diese Geschichte böse endet. Mehrstimmig und mit Musik geschickt in Szene gesetzt, eröffnet diese Verarbeitung der literarischen Vorlage dem Hörer der insgesamt drei Geschichten einen zusätzlichen Genuss.

T. C. Boyle: „Fleischeslust“. Audiobuch Verlag, 2 CDs, 19,90 €

Der Tote im Salonwagen

General Chaprow ist Opfer eines Attentats geworden. Staatsrat Fandorin wird verhaftet. Der Mörder hatte sich seiner Maske bedient, sogar das ihm eigene leichte Stottern perfekt nachgeahmt. Grund genug für Fandorin, sich, als der Irrtum aufgeklärt ist, in die Ermittlungen einzumischen. Die Gruppe von Terroristen, die Fandorin nun jagt, hat offenbar beste Verbindungen zum Staatsapparat. Ohne einen Zuträger wären die folgenden Aktionen nicht möglich gewesen. Nun gilt es, den Verräter zu finden. Dabei bewegt sich Fandorin in revolutionären Kreisen, stellt kluge Fallen, wechselt Identitäten, und gerät selbst ins Schussfeld der von ihm Gejagten. Bei einer Razzia lernt Fandorin eine Dame kennen, deren politische Ansichten er zwar nicht teilt, deren Gesellschaft er jedoch durchaus genießt.

Die Geschichte ist angesiedelt im Russland des ausgehenden 19. Jahrhunderts, doch die Frage nach den Grenzen der Staatsmacht im Kampf gegen Terrorismus ist heute so aktuell wie damals. Das Figurenensemble besticht durch Lebendigkeit und atmosphärische Dichte, die zu erschaffen dem Sprecher Johannes Steck nicht nur durch die musikalische Unterstützung gelingt. Man hört den Frost klirren, wenn Fandorin durch Moskau stapft, hört die Pferde schnauben, als er das Gespann inspiziert, und erschrickt, als sein Diener im Badehaus jenen markerschütternden Schrei auslöst.

Boris Akunin: „Der Tote im Salonwagen“. Audiobuch Verlag, 6 CDs, 34,90 €