Textil vieler Botschaften

Jassir Arafat hat es stets getragen, das so genannte Palästinensertuch. Es wird ihn polit-modisch überleben

Damals, als Linksradikalismus noch einen passablen Ruf hatte, also in den Siebzigern, Achtzigern, war es besonders beliebt bei Demos. In Grohnde, Brokdorf, Wackersdorf, Malville oder in den Schlachten um die Hamburger Hafenstraße: die Kefiye, wie es im Arabischen heißt, hierzulande unter dem Namen Palästinensertuch geläufig. Man schlang es winters statt eines Schals (spießig!) um den Nacken, es nützte der Vermummung und war obendrein geeignet, Tränengas der Polizei abzuwehren. Und weil man es in gewisser Hinsicht mit den politischen Botschaften nicht so genau nahm, war es manchen auch kein Widerspruch, einerseits jenes ja leider auch da und dort als Spültuch missbrauchten Stücke – und andererseits einen Davidstern als accessoirehaftes Bekenntnis am Hals zu tragen.

Die Kefiye war jenes Textil, das vor 70 Jahren auf dem Land lebende arabische Bauern rund um das spätere Israel trugen – als Schutz vor der glühenden Hitze, aber später zugleich auch als modisches Signal gegen Araber, die zu viel Gefallen an der britischen und jüdischen (kopfbedeckungsarmen) Moderne fanden. Die Kefiye war das männliche Gegenstück zum weiblichen Kopftuch – und insofern war dieses etwa ein Quadratmeter große Stück Stoff immer politisches Statement: eines, das vielerlei Ungerechtigkeiten im Gefolge der Moderne (Globalisierung et al.) beklagt.

Jassir Arafat war nur am Ende seiner Tage mit etwas anderem auf dem Kopf bedeckt als eben mit diesem Tuch: eher mit einer Mütze, die leicht an Gartenzwerg, auch an moosgrünes Rastafaritum erinnerte. Man erkannte schmerzhaft fast: Das Tuch ist weg – als sei es ein Zeichen der Kastration seiner Vitalität. Bei uns wie überhaupt in der westlichen Welt stand die Kefiye für Protest und Rebellion, für Aufruhr und Begehr. Einige Häuser der Haute Couture (Dior, Ferré) zitierten das Tuch in ihren Kollektionen, als sie einmal den radical chic probierten. So kam es nie ganz aus der Mode – außer in den friedenssehnsüchtigen Teilen Palästinas und des Gaza-Streifens. Man trägt es gern bei Antiglobalisierungstreffen, freilich wurde und wird es auch bei neonazistischen Aufmärschen gesehen. Das Palästinensertuch ist, auf einen Nenner gebracht, nur noch dies: ein Zeichen der Aversion gegen Israel (und Amerika). Das kann Jassir Arafat nicht gewollt haben – das hat er, der politische Pragmatiker, der stets erfolgreich auf die Opferkarte setzte, nicht verdient. JAF