: Kontakt mit der Partei
Sprich, unverstellte Erinnerung, sprich: Walter Jens, die Souveränität und die Mitgliedschaft in der NSDAP
Die Bücherverbrennung vom Mai 1933 hat Walter Jens einmal nicht als von oben verordnete Tat, sondern als ein „Fest“ der konservativen Intelligenz gedeutet: „Ein Fest, für das die deutsche Studentenschaft die Vorbereitungen getroffen, die Thesen wider den deutschen Ungeist und die Flammensprüche entworfen hatte.“ Walter Jens macht sich also nichts vor. Er wälzt die Verbechen der NS-Zeit – für die für ihn als Mann, dem Bücher alles bedeuten, die Bücherverbrennung beispielhaft steht – nicht auf die Bonzen ab; sondern er nimmt die vielen Mitläufer und Mitmacher in den Blick.
Seit Neuestem allerdings spricht einiges dafür, dass Walter Jens selbst als Student Mitglied der Partei der Flammensprüche war – nicht 1933 natürlich, da war er erst zehn Jahre alt, aber neun Jahre später. Der Wissenschaftsgeschichtler Christoph König ist während seiner Arbeit an dem „Internationalen Germanistenlexikon 1800–1950“ auf die Karteikarte gestoßen, die Walter Jens seit dem 1. September 1942 als Mitglied der NSDAP führte. Auch andere berühmte Geisteswissenschaftler sehen sich nun diesem Vorwurf ausgesetzt, so Peter Wapnewski und der kürzlich verstorbene Walter Höllerer. Christoph König gestern in der FAZ: „Neu ist die Erkenntnis, dass die weit überwiegende Mehrheit der zur NS-Zeit tätigen Germanisten Kontakt mit der Partei hatte. Das hat mich in dieser Dichte sehr überrascht.“
Sowohl Peter Wapnewski als auch Walter Jens haben in der Welt erklärt, sie könnten sich nicht daran erinnern, in die Partei eingetreten zu sein. Als möglich darf immerhin gelten, dass sie ohne ihr Wissen auf die Karteikarte kamen, aber das ist wohl unwahrscheinlich. Peter Wapnewski hat gegenüber Christoph König bereits seine eigene Erinnerungsarbeit in Frage gestellt. Walter Jens bezeichnete seine Mitgliedschaft als „absurd und banal“ und fordert nun ein „Obergutachten“. Bei aller Vorsicht kann man sagen: Man würde sich freuen, wenn er seine defensive Haltung bald aufgeben würde.
Es geht ja nicht darum, Walter Jens der Kollaboration mit dem Naziregime zu überführen; über diesen Vorwurf ist er erhaben. Aber gerade die Jugend eines so reflektierten Mannes müsste doch Material zuhauf bereit halten für forschende Blicke darauf, wie es damals wirklich war mit dem Mitlaufen und Mitmachen. Es erscheinen in diesen Monaten viele Bücher, die sich unverstellt mit der Nazizeit beschäftigen, Uwe Timms „Am Beispiel meines Bruders“ mag als Paradebeispiel dienen. Vielleicht findet Walter Jens ja noch die Souveränität, dazu wirklich etwas beizutragen. DIRK KNIPPHALS