: STRAHLENOPFER IN FRANZÖSISCH-POLYNESIEN
Französisch-Polynesien (242.000 Einwohner, Zensus 2001) hat seit 1946 den Status eines Überseeterritoriums mit beschränkter Selbstverwaltung (T.O.M.), dessen Autonomie 1996 erweitert wurde. Nachdem Frankreich durch Algeriens Unabhängigkeit sein dortiges Atomtestgelände verloren hatte, erschienen die kaum bewohnten Atolle Französisch-Polynesiens ideal; auf dem benachbarten Bikini-Atoll testeten damals schon die USA ihre Atombomben. Von 1966 bis 1996 zündete Frankreich auf Moruroa 46 Atombomben in der Atmosphäre und 147 unterirdisch.
Bis zu 15.000 Polynesier arbeiteten seit 1962 beim Atomtestprogramm CEP, verharmlosend „Centre d’experimentation du Pacifique“, Versuchszentrum im Pazifik, genannt. Meist waren sie für Bauarbeiten oder Küchendienst zuständig, einige mussten aber auch hoch gefährliche Dekontaminierungsarbeiten ausführen oder auf Bohrplattformen die Detonationskammern graben und nach den Tests Proben entnehmen. Viele Arbeiter kamen mit Radioaktivität in Berührung, wussten aber über die Gefahren nicht Bescheid. Meist waren sie bäuerlich geprägte Menschen, die kein Französisch verstanden. Begriffe wie „Strahlung“ und „Kontaminierung“ kannten sie nicht.
Jetzt melden sich erstmals die früheren Arbeiter zu Wort, die mit ihren Strahlenkrankheiten von Paris allein gelassen wurden. Frankreichs Behörden hatten versäumt, die Arbeiter systematisch medizinisch untersuchen zu lassen. Die vorhandenen medizinischen Daten geben die Militärs nicht heraus. Die Strahlenbelastung kann deshalb von den Betroffenen nachträglich nicht mehr bewiesen werden. Viele können sich aus Kostengründen nicht medizinisch behandeln lassen.WOLFGANG B. KLEINER