: Eichel hart. Euro weich?
Der Euro-Stabilitätspakt wankt: Deutschland wehrt zusätzliche Sparauflagen der EU ab. Streit um die Folgen für die gemeinsame Währung. Europäische Zentralbanker sehen „ernste Gefahren“
BRÜSSEL/BERLIN afp/dpa/taz ■ Mit einer Aussetzung der Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich haben die EU-Finanzminister den Euro-Stabilitätspakt in die größte Krise seiner siebenjährigen Geschichte gestürzt. Eine Mehrheit der Minister entschied gestern in Brüssel, die beiden „Sünder“ ohne die im Pakt vorgesehene Strafandrohung zum weiteren Sparen zu verpflichten und die Verfahren vorerst auf Eis zu legen.
Der überstimmte EU-Finanzkommissar Pedro Solbes kritisierte dies als politische Entscheidung „ohne legale Grundlage“ und drohte mit rechtlichen Schritten. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) sprach dagegen von einer „vernünftigen Lösung“. Auch Kanzler Schröder nannte die Lösung einen „vernünftigen Kompromiss“. Die Europäische Zentralbank (EZB) bedauerte dagegen die Entscheidung, die „ernste Gefahren“ berge. Die Nichteinhaltung des Stabilitätspakts könne die Glaubwürdigkeit in das Regelwerk und das Vertrauen in solide öffentliche Haushalte untergraben, warnten die Währungshüter.
Die EU-Kommission „bedauerte“, die Mitgliedsstaaten hätten „Geist und Regeln“ des Stabilitätspakts nicht beachtet. Eichel sagte dagegen, Deutschland habe weitere Sparauflagen angesichts der labilen Konjunkturlage ablehnen müssen. Eine Schwächung des Stabilitätspakts sah er nicht: „Wir wollen den Pakt so, wie er ist, ihn aber in der gegenwärtigen Situation vernünftig anwenden.“ Deutschland hätte nach den EU-Vorschlägen bis zu sechs Millionen Euro zusätzlich einsparen müssen.
Eine Gefahr für den Euro besteht nach Ansicht Eichels nicht: Er verwies auf den derzeit starken Euro-Kurs gegenüber dem Dollar. Kritiker wandten dagegen ein, dass der Euro zwar kurzfristig stabil bleibe, langfristig aber das Vertrauen in die Währung beschädigt sei. So warf Bayerns Ministerpräsident Stoiber der Bundesregierung vor, sie setze mittel- und langfristig die Stabilität des Euro aufs Spiel. Gestern wurde der Euro mit 1,1766 Dollar bewertet, ein halber Cent weniger als am Montag.
Unionsfraktionsvize Friedrich Merz (CDU) sprach von einem „schwarzen Tag für Europa“. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos nannte Eichel den „Totengräber des Stabilitätspakts“. Die Chancen auf eine Einigung im Steuerstreit sieht die CDU stark gesunken. KLH
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