: Unbeugsame Buxtehuder
Die Elbe-Weser-Region will sich mit der Schließung der Fachhochschule Buxtehude nicht abfinden. Mittlerweile liegt ein Konzept zur Rettung der FH vor. Die niedersächsische Landesregierung in Hannover „präferiert die Privatisierung“
aus BuxtehudeEva Weikert
„Schließt die Fachhochschule, wird Buxtehude zur Schlafstadt.“ Andreas Erber betreibt einen Papierwarenladen gegenüber der einzigen Hochschule in der Elbe-Weser-Region, die nach dem Willen der niedersächsischen Landesregierung dicht gemacht werden soll. Erber fasst zusammen, was vielen Buxtehudern Bauchschmerzen macht: Mit den 650 Studierenden verliert die 38.000-Einwohner-Stadt Käufer, Mieter und Fachkräfte. Das nimmt sie nicht kampflos hin: Vergangene Woche legte eine Delegation in Hannover einen Rettungsplan vor. Bürgermeister Jürgen Badur sagt stolz: „Die ganze Region begehrt auf.“
Am 23. September hatte die schwarz-gelbe Landesregierung die Schließung der FH, an der Architekten und Bauingenieure ausgebildet werden, entschieden (taz berichtete). Sogar die CDU- und FDP-Landtagsabgeordneten aus der Region reagierten mit Empörung. Laut Hochschul-Dekan Albrecht Beyer gibt es um die Anfängerplätze Bewerbungen „in Hülle und Fülle“.
Beyer trägt wie viele seiner Studierenden einen Pulli mit der Aufschrift „FH-Retter“, die weggingen „wie warme Semmeln“. Die Stadt hängt an ihrer FH: An der Fassade ihrer Verwaltung gibt es ein Protest-Transparent. Ansässige Unternehmen sagten bisher Spenden in Höhe von 400.000 Euro zu. „Wir bilden deren Führungskräfte aus“, erklärt Beyer. Studierende schätzen an der kleinen Hochschule die „familiäre Atmosphäre und gute Betreuung“, wie Architekturstudent Berat Hazeraj meint. Dafür nimmt er die tägliche Anreise aus Hamburg in Kauf. Weil es noch die ihrem Heimatdorf bei Cuxhaven am nächsten gelegene Hochschule sei, pendelt Melanie Viemann sogar 120 Kilometer am Tag. Jetzt fürchtet sie, ihr Studium nicht beenden zu können.
Doch solche Gefühle interessieren in Hannover keinen. Mit Schließung der 130 Jahre alten Lehrstätte will Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) 2,5 Millionen Euro jährlich einsparen. Zugleich gäbe es „bundesweit eine Überkapazität an Architekten“, erklärt sein Sprecher, „die muss abgebaut werden.“
Indes bestreiten die Wirtschaftstreibenden in der Elbe-Weser-Region, dass über Bedarf ausgebildet wird. „Wir bauen nahezu das Zweifache des Landesdurchschnitts“, sagt Reiner Schomacker, Vorsitzender des Wirtschaftsfördervereins Buxtehude. Laut Arbeitsamt Stade gibt es zwischen Zeven und Cuxhaven 450 Betriebe im Hoch- und Tiefbau, elf Prozent der Beschäftigten arbeiten auf dem Bau. In etwa vier Jahren käme auf vier ausscheidende Bauingenieure ein Nachrücker, prognostiziert Jörg Orlemann, Hauptgschäftsführer der IHK Stade. Mehr als zwei Drittel der Buxtehuder Studierenden stammten aus der Region. Orlemann warnt: „Gehen die zum Studieren woanders hin, blutet die Region aus.“
Um das zu verhindern, haben Vertreter der Wirtschaft und der Stadt gemeinsam mit Dekan Beyer ein Konzept erarbeitet, das die FH noch retten soll. Kern ist ein zusätzlicher Studiengang, Chemie- und Lebensmittel-Verfahrenstechnik. Zugleich soll die Architektur umgewandelt werden in „Bauen im Bestand“. Beyer sagt: „Wir wären bundesweit die ersten, die das als eigenen Studiengang anböten.“ Durch die Vermietung von Räumen und Studiengebühren müsse der Staat künftig nur noch 60 Prozent des Etats aufbringen, errechneten die Retter. „Das Land muss aber in der Pflicht bleiben“, mahnt Bürgermeister Badur. Eine Privatisierung der einzigen Hochschule in ihrem Bereich lehnt auch die IHK ab. Chef Orlemann: „Der staatliche Rückzug wäre eine Bankrotterklärung für das Flächenland Niedersachsen.“
Die FH-Fachschaft steht hinter dem Konzept. „Wir nehmen sogar Studiengebühren in Kauf“, so Studentenvertreter Martin Preuß. Im Fachschaftsbüro hängt das Bild von FH-Präsidentin Christa Cremer-Renz. Mit Stiften wurde Renz in einen Teufel verwandelt, weil sie die Schließung des Standortes beschlossen habe. Hannover versichert unterdessen, den Reformvorschlag der Buxtehuder zu prüfen. „Das Problem bleibt die staatliche Finanzierung“, erklärt der Ministeriumssprecher. „Das Land präferiert die Privatisierung.“