: Doktor Gott darf wegtreten
Die Mitglieder des BVB verabschieden den wehmütigen Präsidenten Gerd Niebaum mit Kritik und Mitleid. Seinem Nachfolger Reinhard Rauball hinterlässt „Doktor Gott“ einen Trümmerhaufen
AUS DORTMUNDKLAUS JANSEN
Am Ende haben sie ihn dann doch nicht mit Schimpf und Schande davon gejagt. Doch Gerd Niebaum, der scheidende Präsident des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund, musste mächtig auftragen und die Historie bemühen, um von der Mitgliederversammlung seines Vereins wenigstens ein bisschen warmes, leicht mitleidiges Klatschen zu bekommen. „Damals, 1989, als die Fans nach dem Pokalsieg in Berlin auf dem Kurfürstendamm gefrühstückt haben – das war mein schönster Moment im Amt. Für die Menschen im Ruhrgebiet war es wichtig, dass ein Verein aus der Region wieder Titel gewinnen konnte. Es war eine schöne Zeit, für die ich mich bedanken möchte – bei den Fans und den Pfundskerlen im Vorstand“, verabschiedete sich der Mann, der seinen Verein mit 118 Millionen Euro Schulden an den Rand des Ruins getrieben hat.
Niebaums gefühliger und versöhnender Abschiedsrede voran gegangen war eine Abrechnung. Fast drei Stunden lang nutzten die BVB-Mitglieder die Chance, ihren Vorstand erstmals persönlich für die finanzielle Katastrophe des Vereins zur Rede zu stellen. Angeführt wurden die Kritiker von einer Altherrenriege: Verdiente Borussen um den ehemaligen NRW-Arbeitsminister Hermann Heinemann (SPD) geißelten Niebaum für sein kaufmännisches Fiasko, vor allem aber für die „katastrophale Informationspolitik“ und ernteten dafür Standing Ovations, während Niebaum und sein Manager Michael Meier in Buhrufen untergingen – und nur von zwei Dritteln der 1.745 anwesenden Mitgliedern in geheimer Abstimmung entlastet wurden. „Sie reden von Zerstörern in den Medien. Wer hat denn den Verein zerstört?“, attackierte Heinemann den wegen seines arroganten Führungsstils „Doktor Gott“ genannten Niebaum. Die zentrale Forderung der Kritiker: Niebaum solle nicht nur sein Präsidentenamt zur Verfügung stellen, sondern auch als Geschäftsführer der KG auf Aktien zurücktreten.
Diesen Posten will Niebaum jedoch auch nach der Aktionärsversammlung am kommenden Dienstag behalten: „Ich übernehme auch dort die Verantwortung, definiere sie nur anders“, begründete er nebulös.
Ohnehin fällt Niebaum das Loslassen schwer: „Es tut mir weh, den Verein in diesem Zustand übergeben zu müssen. Ich habe aber den persönlichen Ehrgeiz, das Haus der Aktiengesellschaft besser zu bestellen“, sagte er. Helfen will ihm dabei Manager Michael Meier. „Weniger Risiko in der Zukunft“, ließ er in dicken schwarzen Lettern per Beamer über die Videoleinwand in der Westfalenhalle flimmern. Das heißt: Der BVB verzichtet nicht nur darauf, in Zukunft mit dem internationalen Geschäft zu kalkulieren – er peilt offenbar es auch nicht mehr an. Die Personalkosten sollen auf Bundesliga-Mittelmaß gestutzt werden, Spieler werden gehen müssen. Die Mitglieder stört das derzeit nicht sonderlich, die BVB-Stars wurden nach ihren zuletzt schlechten Leistungen in der Bundesliga auf der Versammlung gnadenlos ausgebuht.
Neuer Hoffnungsträger der Borussia ist nun der neue Präsident Reinhard Rauball – ein Mann, der bereits zweimal aus dem Führungsamt des Vereins gegangen worden ist. Der 57-jährige kurzzeitige NRW-Justizminister wurde nahezu einstimmig gewählt. Wie schwer er es haben wird, zeigt das Beispiel einer sonst wenig beachteten Abteilung des BVB: Die erste Tischtennismannschaft konnte, obwohl sportlich aufgestiegen, nicht in der ersten Bundesliga antreten – selbst für diese Randsportart reicht der Etat nicht mehr.