: „Wer klein ist, muss schneller laufen“
In 98 Tagen, am 20. Februar 2005, wählt Schleswig-Holstein einen neuen Landtag. Im taz-Interview zur Wahl heute: Wolfgang Kubicki, Spitzenkandidat der FDP, über Subventionsabbau, die A 20, Frauen – und Japaner auf dem Golfplatz
Interview:Esther Geißlingerund Markus Jox
taz: Sie wollen nicht stellvertretender Ministerpräsident werden, Herr Kubicki – nachdem Sie neulich ein Kompetenzteam vorgestellt haben, dachten wir schon, Sie wollten Ministerpräsident werden?
Wolfgang Kubicki: Wir haben gezeigt, dass die FDP über Persönlichkeiten verfügt, um ein Kabinett zu bestücken, wenn der Wähler uns mit 50 Prozent ausstatten würde. Das ist aber nicht absehbar. Ich werde Fraktionsvorsitzender bleiben, in der Hoffnung, dass wir eine Regierungsfraktion stellen. Es gibt neben dem Ministerpräsidenten keine wichtigere Position.
Die CDU, mit der Sie zusammengehen wollen, hat zuletzt nicht nur Rühmliches geleistet. Eine Chance, sich gegen einen größeren Partner zu profilieren?
Koalitionen sind keine Liebesbeziehungen, sondern Zweckbündnisse. Die SPD hat sich festgelegt, insofern war unsere Wahlfreiheit eingeschränkt – mit dem SSW hätten wir es nicht geschafft, also blieb nur die Union. Die Performance der CDU war erkennbar nicht gut. Wir leiden darunter, denn wenn die Menschen meinen, dass ein Wechsel nicht möglich ist, orientieren sie sich insgesamt anders. Insofern haben wir gemahnt, die CDU möge sich weniger mit sich selbst und mehr mit dem politischen Gegner beschäftigen.
Der CDU-Spitzenkandidat hat über das Verhältnis von Groß und Klein gesagt, die Maus müsse sehr laut brüllen, um nicht vom Elefanten totgetreten zu werden.
Ich würde sagen: Wer klein ist, muss schlau sein, muss schneller laufen. Allerdings hat sich die CDU verhalten wie ein Elefant im Porzellanladen. Aber ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Peter Harry Carstensen, und er ist auch nicht das Problem. Das Problem ist, dass er noch über keine Hausmacht verfügte. Grüppchen der Partei haben ihre eigenen Spielchen gespielt – und dafür auf dem Parteitag ihre Quittung gekriegt.
Die CDU glaubt, dass eine neue Koalition eine gewisse magische Wirkung auf die Wirtschaft ausübt. Teilen Sie diesen Optimismus?
Wenn es so einfach wäre, hätten wir die Probleme nicht, die wir haben. Aber Tatsache ist, dass die Menschen mit einem Regierungswechsel Hoffnungen verbinden. Wir müssen schnell umsetzen, was wir versprechen. Denn wenn Unternehmen unsicher sind, wie sich die Lage entwickelt, werden sie Investitionen aufschieben oder abwandern.
Aber wie konkret wollen Sie Firmen ins Land holen?
Das Land leidet darunter, dass die Performance des Auftritts nicht stimmt. Ein Beispiel: Wie gelang es, ein japanisches Unternehmen in Neumünster anzusiedeln? Nach der Besichtigung der Liegenschaften ging es auch auf den Golfplatz – das interessiert Japaner. Oder: Wir haben ein Highlight im Land, die Kieler Woche. In diesem Jahr hatten wir auf dem Boot, auf dem ich segele, Siemens-Vorstände, die mit anpacken mussten, nass geworden sind. Die haben gesagt, das war das Beste, was sie je erlebt haben. Man könnte Leute nach Sylt einladen, um mit einem Sternekoch zu kochen.
Das klingt nach einer netten Regierungszeit – da darf Peter Harry Carstensen mal segeln, mal essen gehen.
Essen gehen würde er, ob er segelt, weiß ich nicht. Aber es kommt darauf an, Leute für das Land zu interessieren. Erst dann kann ich erklären, was wir sonst noch alles bieten. Die zweite Frage ist, wie wir Unternehmen halten – und da muss man auf die Leute hören, die hier arbeiten. Beispielsweise, wenn Klagen über die verstopften Straßen kommen. Wenn wir nicht reagieren, zwingen wir Firmen, sich umzuorientieren.
Wie ist denn die Performance des Landes auf Bundes- oder Europaebene?
Schlecht. Ich habe den Eindruck, dass sich die Sozialdemokraten für gute Menschen halten: Wenn man sagt, etwas diene einem höheren Interesse, dann tun sie es. Nur man muss sich auch mal bezahlen lassen, das ist eine Sprache, die auch Gerd Schröder versteht. Auch deshalb wäre ein Regierungswechsel von Vorteil, weil wir eine Schlüsselstellung im Bundesrat einnehmen können. Ich bin sicher, dass Schröder geneigt wäre, dem Land entgegenzukommen.
Die FDP schlägt die neue Qualifikation Fachhilfskraft vor für Menschen, die in der klassischen Ausbildung nicht mitkommen. Woher nehmen Sie Arbeitsplätze für diese Menschen?
Wir haben das mit den Handwerkskammern besprochen. Es gibt viele, die an der Ausbildung scheitern, die aber die handwerklichen Voraussetzungen erfüllen. Das Handwerk hätte an diesen Menschen Interesse.
Verkehrspolitisch gibt es Streit um den Ausbau von Flugplätzen. Sie haben sich gegen den Ausbau von Kiel-Holtenau ausgesprochen?
Ich bin vehement für Kiel-Holtenau. Aber Rot-Grün hat sich darauf geeinigt, die Landebahn nur auf 1.799 Meter zu verlängern, da kann kein großes Flugzeug landen. Es macht keinen Sinn, 50 Millionen Euro zu verbuddeln für eine unbrauchbare Piste. Also müssen wir nach anderen Plätzen suchen.
Ein Punkt, den Rot-Grün Ihrer Meinung nach vernachlässigt hat, ist der Straßenbau. Hat Schwarz-Gelb Geld dafür?
Da brauchen Sie kein Geld, sondern ein schnelleres Vorantreiben der Planungen. Ich habe 1992 Wahlkampf mit der A 20 geführt, ich führe 2005 Wahlkampf mit der A 20. Schleswig-Holstein ist ein Flaschenhals für den Verkehr aus Skandinavien. Das ist nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch gaga. Was wir weiter dringend brauchen, ist eine ordentliche Bahnanbindung bis Esbjerg, dem einzigen Tiefwasserhafen direkt an der Nordsee. Und wir brauchen ein drittes Gleis von Hamburg nach Lübeck. Vom Pulsschlag Hamburgs hängt die Entwicklung Schleswig-Holsteins ab.
Die Beziehungen zwischen Hamburg und Kiel sind doch gut?
Ole von Beust hat eine sehr charmante Art, mit Heide Simonis umzugehen. Aber die Frage ist, wie wir unsere Interessen einbringen. Hätten wir das getan, müssten wir über eine Bahnanbindung des Hamburger Flughafens nicht mehr reden. Oder denken Sie an HDW, die einzige gut aufgestellte Werft in dem Verbund, und diejenige, die jetzt die schlechtesten Karten hat. Wir haben dem Konzern ermöglicht, in fünf Jahren zu erklären, warum der Standort Kiel nicht überleben kann. Aus Hamburger Sicht genial.
Energiepolitisch wollen Sie Subventionen streichen. Sollen Windräder fallen?
Keine Subvention darf sofort gestrichen werden. Wir würden den Abbau auf zehn Jahre festschreiben wollen in dem Maße, wie Gewinne durch technischen Fortschritt möglich sind. Die Unternehmen halten das für vertretbar.
In Ihrem Wahlprogramm vermissen wir den Bereich Frauenpolitik: kein Thema für die FDP?
Das war für die FDP nie ein Problem. Wir haben in der Landespartei 40 Prozent weibliche Führungskräfte, wir haben den höchsten Anteil weiblicher Mitglieder bundesweit.
Auf Ihrer Liste ist unter den ersten sieben nur eine Frau.
Bei uns wird niemand gewählt, nur weil es eine Frau ist. Nun sind zwei Frauen, die gewählt worden wären, aus persönlichen Gründen nicht angetreten. Und für einen Posten haben drei Frauen kandidiert, die haben sich ein bisschen gegenseitig aus dem Rennen geschubst.
Sie wollen die dreigliedrige Schule behalten. Warum?
Wenn wir 13 Prozent Unterrichtsausfall haben, wird das nicht besser durch die Gesamtschule. Wir stehen ja immer im Verdacht, wir wollten Eliten bilden, das ist Quatsch. Unser Land lebt davon, dass unsere Menschen kreativ sind, und zwar alle. Man muss allerdings Hochbegabte anders ansprechen als solche, die mit mangelnden Sprachkenntnissen kommen. Wir wollen keinen Schulkrieg, ohnehin müssen wir sehen, was die demografische Entwicklung bringt. Wir diskutieren momentan, ob Schulen so gebaut werden müssen, dass wir Seniorenheime daraus machen können.
Noch eine Spekulation über die Wahl: Wie sieht Ihr Ziel aus?
Unser Wahlziel liegt bei zehn plus – wenn wir das erreichen, werden wir um das Innenministerium kämpfen. In der Sicherheitspolitik trennen uns Welten von der Union. Mit uns wird es keine Videoüberwachung und keine Schleierfahndung geben, die Rasterfahndung wird in Schleswig-Holstein nicht verlängert.
Und zehn plus schaffen Sie?
Ich bin völlig relaxt. Wir hatten noch vor keiner Wahl so gute Prognosen wie jetzt. Und wenn wir zwölf Prozent erreichen, ist es auch kein Beinbruch für Schleswig-Holstein.