: „Ich stehe zu meinen Äußerungen“
Mit ein paar deutlichen Worten schaffte es Neuköllns Bürgermeister auf alle TV-Kanäle. Dabei habe er doch gar nichts Neues gesagt, wundert sich Buschkowsky. Damit hat er Recht: Er hat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen
Für einen Bezirksbürgermeister hat es Heinz Buschkowsky (SPD) zu beachtlicher Popularität gebracht. Journalisten und Kamerateams stehen im Rathaus Neukölln Schlange, seit er am Wochenende im Tagesspiegel Parallelen zwischen den Niederlanden und Neukölln ausgemacht hat, was Schwierigkeiten der Integration betrifft. Sat.1, RTL, ZDF, die Printmedien rauf und runter, fast alle sind sie gekommen. „Ich hätte nicht mehr Presse haben können, wenn ich meine Mutter ermordet hätte“, zeigt sich der Bürgermeister fassungslos. Schließlich war der Neuigkeitswert seiner Rede im Tagesspiegel gleich null. „Genau das Gleiche“, so Buschkowsky, „habe ich schon in der Vergangenheit gesagt.“
Dass sich die deutschen Medien nach dem Mord an dem holländischen Regisseur Theo van Gogh auf den Neuköllner Bezirksbürgermeister stürzen, ist kein Zufall. Der kleine Mann, der einen dicken Kugelbauch vor sich herschiebt, ist bekannt für plakative Reden. Sein Anliegen sei es, die Politiker, „auch die meiner eigenen Partei, aufzurütteln“, so Buschkowsky. Die Kritik „plakativ“ will er dabei nicht gelten lassen. „Ich stehe zu meinen Äußerungen“, sagt er.
1997, damals war Buschkowsky noch Jugendstadtrat, wurde er vom Spiegel mit den Worten zitiert: „Inzwischen gibt es in Neukölln Kinder, die hungernd durch die Straßen ziehen.“ Das sei nicht überspitzt, sondern die reine Wahrheit, sagt Buschkowsky dazu heute mit dem Hinweis, in Neukölln gebe es nach wie vor Kinder, die nachmittags von Kita zu Kita zögen, um nach Resten vom Mittagessen zu fragen.
Der 56-Jährige ist seit Dezember 2001 Bürgermeister in seinem Geburtsbezirk. Seine Mehrheit verdankt der Verwaltungswirt, der im schönen Rudow wohnt, einer rot-rot grünen Zählgemeinschaft. Die Daten seines Bezirkes präsentiert er wie aus der Pistole geschossen: Ein Drittel der rund 300.000 Einwohner seien Zugewanderte aus 163 Nationen. Ein Viertel der Neuköllner lebe unterhalb der von der Europäischen Union definierten Armutsgrenze von 606 Euro. 70 Prozent der Migrantenkinder verließen die Schule ohne einen Abschluss. Diese Auflistung könne er beliebig fortsetzen. „Wenn ein neuer Sozialstrukturatlas rauskommt, sind über diese Daten alle ganz furchtbar betroffen, aber was passiert? Nichts!“, stöhnt Buschkowsky. „Wir müssen mehr tun. Sonst braut sich hier was zusammen, und der Laden fliegt uns um die Ohren.“
Im Neuköllner Rathaus gibt es Leute, die sprechen dem Bürgermeister jegliches ehrliche Engagement ab. Namentlich genannt werden wollen sie nicht. Die schärfste Kritik lautet, Buschkowsky sei ein Opportunist, der sein Fähnlein nach dem Winde hänge, wenn es öffentlich zu punkten gelte. Ganz anders hat der Neuköllner SPD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Fritz Felgentreu Buschkowky in 12 Jahren Zusammenarbeit kennen gelernt: „Seine Haltung und sein politisches Auftreten sind sehr klar und konsequent.“ Auch Gilles Duhem, beim Quartiermanagement Rollbergviertel tätig, möchte nichts auf den Bürgermeister kommen lassen: „Er spricht aus, was sich andere aus politischer Korrektheit nicht zu sagen trauen. Aber er hetzt nicht.“
Eine Erklärung für das große Medieninteresse hat Buschkowsky noch nicht. „Vielleicht ist es das schlechte Gewissen oder die Angst vor holländischen Verhältnissen“, sagt er. „Das werde ich noch sehen.“ PLUTONIA PLARRE