: Virtuose Verwandlungskünstler
Gegen atemlosen Modernismus und für Trash‘n‘Roll‘n‘Folkfeinkunst: „Ween“ am Sonntag in der Großen Freiheit
Der atemlose Modernismus im Pop interessiert Ween schon lange nicht mehr. In Interviews bekennen die Bandmitglieder, keine neue Musik zu hören, ja nicht einmal ein Radio zu besitzen. Stattdessen liegen sie lieber auf der Veranda ihrer Ranch in New Hope, Pennsylvania, lassen sich die Sonne ins Gesicht scheinen und warten ab, was der Tag so bringt. Vielleicht gutes Wetter. Sicher aber ein paar wunderbare Songs. Ween, das sind vor allem die Gitarristen Aaron Freeman und Mickey Melchiondo alias Gene und Dean Ween. Beide sind virtuose Verwandlungskünstler anspruchsvoller Popmusik.
Freeman und Melchiondo sind ein Double, das sich wie ein Single benimmt. Kennen gelernt haben sich die beiden auf der High-School, seitdem nennen sie sich Ween. Schon Mitte der achtziger Jahre entstanden erste Wohnzimmeraufnahmen, 1991 das Debüt mit dem denkwürdigen Titel God Ween Satan: The Oneness. Als popmusikalisches Pendant des Londoner Künstlerduos Gilbert & George erzählten sie auf ihren folgenden Alben von ihren Obsessionen, besangen den Kult um ihren kauzigen Hausgeist „Boognish“ – und ließen nichts unversucht, der Popwelt eine lange Nase zu zeigen.
Als Streifzüge durch die Popgeschichte wurde ihre Musik beschrieben, in deren Selbstbedienungsladen sie gerne mal etwas mitgehen lassen würden. Doch Ween sind mehr als Resteverwerter. Auch sind sie nicht wirklich daran interessiert, bestimmte Musikgenres zu parodieren. Eines ihrer schönsten Alben, das grandiose 12 Golden Country Greats dokumentierte nichts anderes als ihre tiefe und überschäumende Liebe zur Countrymusik.
Auf dem Album The Mollusk zitierten Ween alte Seemannslieder und Artverwandtes, doch live geben sie sich mitunter ganz anders als man denkt. Man weiß als Konzertbesucher nie vorher, was passiert, wenn Ween auf der Bühne stehen. Vor allem feiern sie ihren eigenen, überspannt-schillernden Rockzirkus.
Jetzt sind sie mit ihrem achten Album Quebec in der Großen Freiheit zu Gast. Das erste Stück „It‘s Gonna Be A Long Night“ klingt mächtig nach „Ace Of Spades“ von Motörhead, das nächste schon wie ein fernes Echo auf Simon & Garfunkel. Trash‘n‘Roll und Folkfeinkunst fahren Achterbahn. Ween ist einfach nicht zu trauen. Aber alles zuzutrauen
Marc Peschke
Sonntag, 21 Uhr, Große Freiheit 36