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Archiv-Artikel

Sonderbare, wunderbare Wesen

Zum 20. Geburtstags feiert sich die Bremer Shakespeare Company selbst mit dem Stück „Shakespeare in Trouble“

Wie war das nun genau? Da stürmt ein Schauspieler blutüberströmt auf die Bühne und schreit „Ein Pferd! Ein Pferd! Mein Königreich für ein Pferd!“ Dies ist Richard Burbage, der Starschauspieler des Globe Theaters von 1601– aber nein, dies ist der namenlos bleibende Schauspieler eines Theaters unserer Tage, der Burbage spielt, der Richard III spielt – aber nein, dies ist der Schauspieler Erik Roßbander, der den Provinzschauspieler spielt, der den historischen Schauspieler spielt, der schließlich dann als Richard abgeschlachtet wird. Oder anders gesagt, die Bühne (das Globe) ist eine Bühne (Stadttheater) auf einer Bühne (Leibnizplatz). Nein, neu ist das nicht, diesen Trick hat Shakespeare selber schon in „Hamlet“ genutzt, aber genau das ist ja der Witz.

Schließlich feiert sich die Bremer Shakespeare Company (BSC) mit diesem Stück selber, spiegelt das eigene Kollektiv in Shakespeares Urtruppe, lässt in „Shakespeare in Trouble“ das historisch verbürgte Personal des Globe von 1601 auftreten und sich ähnlich über Kunst, Geld, Eitelkeiten und Politik streiten wie dies 20 Jahren lang bei ihnen üblich gewesen sein muss.

Wenn BSC-Gründungsmitglied Hille Darjes etwa nun Elisabeth I spielt, ist dies auch ein selbstironischer Kommentar auf ihre Rolle als etwas Gleichere unter den Gleichen des damaligen Kollektivs. Nach elf Jahren sind sie und ihr Gatte Chris Alexander zurück zu den Shakespeares gekommen, um mit diesem Stück, das beide geschrieben und Alexander inszeniert hat, den BSC-Geburtstag zu feiern.

Die Palastrevolte von Lord Essex und die Verwicklung des Globe Theatres bilden den historisch-dramaturgischen Rahmen der Handlung – aber ist das Stück bei diesen Bezügen, Spiegelungen und Brüchen nicht heillos überkonstruiert? Das Wunder dieser Inszenierung ist es, wie unterhaltsam sie ist. Es muss höllisch anstrengend gewesen sein, all das so zu einem Stück zu verschmelzen. Nun aber ist es fast perfekt gebaut und steckt voller schöner Sätze und Ideen.

Mit am meisten Spaß macht es, wie übermütig Alexander und Darjes mit den Konventionen des Theaters spielen, wie gewitzt sie die Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum aufbrechen, wie originell sie innerhalb der Szenen zwischen den Ebenen wechseln.

Die schönste Pointe aber ist, dass hier ein Theaterensemble dadurch gefeiert wird, dass es eben als Ensemble wunderbar spielt. Da stehen sowohl Veteranen wie Renato Grünig und Rudolf Höhn als auch junge Mitglieder der Company auf der Bühne, und man mag keinen der elf SchauspielerInnen besonders herausheben. Die Gruppe spielt die Hauptrolle, deshalb gibt auch Christian Dieterle als Shakespeare nicht das flammende Genie. Aber auch sonst spielt sich keiner in den Vordergrund. Und dies, obwohl im Stück ständig darüber gestritten wird, wer die größte „Rampensau“ ist und den anderen die Show stiehlt. „Ihr Schauspieler seid sonderbare Wesen“ sagt die Schauspielerin Hille Darjes als Elisabeth. „Shakespeare in Trouble“ ist eine grandiose Liebeserklärung an diese seltsame Zunft.

Wilfried Hippen

nächste Vorstellungen: 28. und 29.11., 6.12, jeweils 19.30 Uhr