: Senat kann auch siegen
Verwaltungsgericht erklärt den Ausstieg aus der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau für rechtens. Finanzsenator Sarrazin (SPD) zeigt sich erleichtert – doch noch stehen weitere Klagen an
von STEFAN ALBERTI
Der rot-rote Senat kann vor Gericht auch gewinnen. Nach der Haushaltsschlappe am Verfassungsgericht vor vier Wochen setzte er sich gestern im Verwaltungsgericht beim Streit um die Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau durch. Das Gericht wies Klagen von drei Unternehmen ab, die auf einer Anschlussförderung beharrten. Die SPD-PDS-Koalition hatte die millionenschwere Förderung im Februar gekappt, um den Haushalt zu entlasten. Der Rechtsstreit ist jedoch mit dem Urteil nicht beendet. Die gestern verhandelten Klagen sind nur die ersten von rund 100. Zudem können die unterlegenen Wohnungsbaufirmen in Berufung oder Revision gehen.
Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) zeigte sich erleichtert, als ihm seine persönliche Referentin Sandra Hildebrandt das Urteil durchtelefonierte – die Plenardebatte hatte ihn im Abgeordnetenhaus festgehalten. Dort musste er zu den Landesbeteiligungen reden, während einige Kilometer weiter nördlich in Moabit die sechste Kammer des Gerichts über einen Eckpfeiler seines Sanierungskurses entschied. Langfristig soll das Land durch den Ausstieg rund 2 Milliarden Euro weniger ausgeben müssen. Hätten die Richter anders entschieden, hätte Sarrazins Sparkurs mehr als gewackelt.
Hinter dem Rechtstreit steht die viel kritisierte Wohnungspolitik vergangener Jahrzehnte. Die gekappte Anschlussförderung für rund 25.000 Wohnungen war fällig, wenn nach dem Ende der 15-jährigen Grundförderung der Mietpreis und die eigentlichen Kosten, die so genannte Kostenmiete, auseinander klafften: Diese Kluft betrug zuletzt im Schnitt 4,50 Euro gegenüber 12 Euro. Frei finanziert hätte sich oft billiger bauen lassen, meinten Kritiker. Hartmann Vetter, Chef beim Berliner Mieterverein, sah im Fördersystem eine „gigantische Vermögensverschiebung von der öffentlichen Hand in die Kassen privater Investoren“.
Die Verwaltungsrichter stützen ihr Urteil darauf, dass das Land Berlin eine Anschlussförderung nicht rechtsverbindlich zugesagt habe. Deswegen ergebe sich aus den Bewilligungsbescheiden für den ersten Förderzeitraum kein Anspruch auf weitere Zahlungen. Die Kläger, vertreten unter anderem durch den früheren SPD-Bausenator Klaus Riebschläger, könnten sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und Vertrauensschutz laut Grundgesetz berufen. Das Gericht bestätigte dem Senat, er könne bei seinem Ausstieg damit argumentieren, dass in Berlin keine Wohnungsnot mehr bestehe. Eine mit vielen Kosten verbundene Nachförderung auch vieler leer stehender Wohnungen komme angesichts der extremen Haushaltsnotlage nicht in Betracht.
Dass das Verwaltungsgericht die Linie des Senats stützt, galt durchaus nicht als sicher. In Eilverfahren hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) das Land in mehreren Fällen darauf festgelegt, die Fördergelder bis zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung weiter zu zahlen. Sarrazin-Referentin Hildebrandt hob hervor, dass das Verwaltungsgericht ausdrücklich der vom OVG vertretenen Rechtsauffassung widersprochen habe.
„Das Ende der Anschlussförderung ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Sanierung des Berliner Landeshaushalts“, kommentierten die Fraktionschefs von SPD und PDS, Michael Müller und Stefan Liebich. Auch die Grünen begrüßten das Urteil. Sie waren eine treibende Kraft hinter dem Ausstieg und hatten die rot-rote Koalition wiederholt zu diesem Schritt gedrängt. Denn gerade bei den Sozialdemokraten war der von Finanzsenator Sarrazin propagierte radikale Ausstieg umstritten. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder hatte sich für eine weichere Variante ausgesprochen, dafür in der SPD-Fraktion aber keine Mehrheit gefunden. Noch nach den ersten Niederlagen im Eilverfahren am Oberverwaltungsgericht hatte Strieder für einen Kompromiss geworben. Sarrazin blieb jedoch bei seiner harten und gestern erfolgreichen Linie.