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Archiv-Artikel

Keinen Euro wert

Wirtschaftsbehörde untersucht Vorwürfe wegen unwürdiger Behandlung Arbeitssuchender. DGB-Chef kritisiert sinnlose Beschäftigungstherapie

„Menschen, die ihren Job verloren haben, werden behandelt wie Aussätzige“

von Marco Carini

Die Berichte mehrerer Arbeitssuchender, die zurzeit in der Eidelstedter Betriebsstätte des Beschäftigungsträgers „Hamburger Arbeit“ (HAB) durch das „Ein-Euro-Programm“ ihre Sozial- oder Arbeitslosenhilfe aufzubessern versuchen, schlägt hohe Wellen. Die Ein-Euro-Jobber hatten gestern in der taz hamburg beklagt, sie würden menschenunwürdig behandelt und mit völlig sinnlosen Tätigkeiten abgespeist.

Daraufhin hat sich die Wirtschaftsbehörde eingeschaltet. Ihre Sprecherin Claudia Steinbach kündigt eine umgehende Untersuchung der Vorwürfe an: „Wir nehmen das sehr ernst, der Prüfauftrag ist bereits raus.“ Im selben Atemzug aber wiegelt Steinbach ab. Die Situation in den HAB-Betriebsstätten sei schwierig, da die Teilnehmer „sehr heterogen zusammengesetzt“ seien und zurzeit erst einmal „die Arbeitswilligkeit“ der Teilnehmer ausgelotet werde.

HAB-Sprecherin Heike Baumann rechtfertigt die Tätigkeiten, die die Arbeitssuchenden ausführen müssen. In der Vorbereitungsphase gehöre es dazu, Mauern zu bauen, die „natürlich irgendwann wieder abgerissen werden müssen“. Teilnehmer des Eidelstedter Ein-Euro-Job-Programms hatten beklagt, sie müssten tagelang Teppichreste zerkleinern, die in den Müll wanderten, und Wände aufmauern, die wieder eingetreten würden.

Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm bewertet die bekannt gewordenen Zustände als „Beschäftigungstherapie“, welche „die Betroffenen demoralisieren“, ihre „Qualifikation entwerten“ und die „Gelder der Beitragszahler verschwenden“ würde. „Langzeitarbeitslose brauchen Perspektiven und keine Ein-Euro-Abstellgleise“, findet der Gewerkschaftschef. Pumm fordert zudem, die Teilnahme an Ein-Euro-Jobs müsse freiwillig sein und dürfe nicht „sozialversicherungspflichtige, gemeinnützige Arbeitsstellen“ ersetzen, die „echte Wiedereinstiegschancen in den Arbeitsmarkt“ böten.

Das Hamburger Sozialforum kritisiert derweil, die HAB sei mit der Durchführung der Ein-Euro-Jobs offensichtlich „überfordert“. Es gäbe hier „keine wirklichen Qualifizierungsmaßnahmen“. Zudem sei der Umgang mit den in diese „Maßnahmen“ gesteckten Menschen „entwürdigend und diskriminierend“.

Mehrere in der Eidelstedter HAB-Betriebsstätte untergekommene Ein-Euro-Jobber berichten übereinstimmend, ihnen sei verboten worden, sich zusammen mit einer Person des anderen Geschlechts von der Arbeitskolonne zu entfernen. Dadurch sollten sexuelle Übergriffe verhindert werden. Auch sei jeder Kontakt zwischen jugendlichen und erwachsenen Arbeitssuchenden unterbunden worden, da letztere „ein schlechtes Vorbild“ seien. Ein Teilnehmer: „Menschen, die nach 20 Jahren ehrlicher Arbeit ihren Job verloren haben, werden behandelt wie Straftäter und Aussätzige.“

Zudem befürchtet das Sozialforum, dass die massive Einführung der geplanten 10.000 Ein-Euro-Jobs in Hamburg zu Lohndumping und dem weiteren Abbau regulärer Arbeitsplätze führen werde. Das Dilemma: Üben die Ein-Euro-Jobber nur – wie im Gesetz vorgesehen – zusätzliche Tätigkeiten im öffentlichen Interesse aus, die sonst nicht verrichtet würden, mangele es an sinnvoller Beschäftigung.

Würden sie aber – wie in der Praxis geplant – Gebäude renovieren und Grünanlagen säubern, drohen in diesen Bereichen massenweise Jobs verloren zu gehen.