: Kompromiss in der Pauliner Marsch
Vor dem Landgericht sicherte die Stadt zu, die Anwohner in Zukunft über Baumaßnahmen in der Pauliner Marsch zu informieren. Das Gericht sah die Sache juristisch eindeutig: Die Anwohner haben das Recht, feste Bauwerke zu untersagen
Bremen taz ■ „Welche Büsche und Bäume sollen es denn sein?“ fragte der Vorsitzende Richter am Landgericht, Bernd Wegener, gestern früh jovial und etwas provozierend die Kläger: Zwei Anwohner der Pauliner Marsch, Angelika Pensky und Uwe Neuhaus, wollten im Interesse auch anderer Betroffener den Bau von Umkleidekabinen am Sportplatz 11 zum Anlass nehmen, grundsätzlich die Frage ihrer Anwohnerrechte aufzuwerfen. Über 400 Anwohner haben auf den Flächen der Pauliner Marsch im Grundbuch das Recht („Grunddienstbarkeit“) eingetragen, feste Bauwerke untersagen zu dürfen. Die Bremer Weser-Stadion-Gesellschaft hatte mit vollem Prozessrisiko einfach bauen lassen. (vgl. taz 15.11.) Das alte Recht hatte Jahrzehnte lang keine Rolle gespielt, aber als vor anderthalb Jahren Pläne für ein „McDrive“ auf den Tisch kamen, formierten sich die Anwohnerinteressen neu: Nichts gegen ein einzelnes Umkleidehäuschen, aber die Pauliner Marsch soll Naherholungsgebiet bleiben.
Er selbst habe da früher Fußball gespielt, bekannte der Richter, vor Gericht geht es allerdings um konkrete Rechte und Fälle. Die Klage sei gegen die Freie Hansestadt formuliert, das sei das Land – ob die Kläger denn nicht nachgesehen hätten, wer Besitzer der Flächen in der Pauliner Marsch sei? Das ist die Stadt. Da half kein Reden.
Und dann noch das: Die Kläger hätten doch am 21. August einen Brief unterschrieben, in dem sie sich mit dem Bau der Umkleidekabinen einverstanden erklärt hätten. Damit hätten sie auf ihre Rechte nach der Grunddienstbarkeit verzichtet, erklärt der Richter. Punkt. Ende. Der Einwand von Angelika Pensky, dass sei nicht so gemeint, zog nicht.
Doch dann nahm die Sache eine unverhoffte Wende: Grundsätzlich, erklärte der Richter Wegener, sei das Gericht der Auffassung, dass die Rechte aus der Grunddienstbarkeit „nicht verjährt noch erloschen oder verwirkt“ seien. Das bedeutet: Wenn sich andere Anwohner als Kläger etwas geschickter anstellen, würden sie vor dieser Kammer sofort den Baustopp durchsetzen können. Und: „Beim nächsten festen Gebäude werden wir wieder hier sitzen.“ Es sei durchaus im Interesse der Stadt, folgerte der Richter, rechtzeitig mit den Anwohnern zu reden. Denn die Kläger wollten ja vor allem nicht erst „aus der Zeitung erfahren“, wenn in der Pauliner Marsch feste Bauwerke errichtet würden.
Der Anwalt des Landes Bremen meinte trotzig, „vielleicht sollte man auch einmal ausprozessieren, wie weit diese Rechte heute noch bestehen“. So ein Verfahren könnte lange dauern, konterte der Richter, der Baustopp durch eine „Einstweilige Verfügung“ gehe schnell.
Am Ende gaben Bremer Weser-Stadion-Gesellschaft und Sportamt nach und stimmten einer Formulierung des Richters zu, nach der die Anwohner rechtzeitig von neuen Bauplänen informiert werden müssen. Die Kläger waren zufrieden. kawe