Wo Rice draufsteht, ist Bush drin

Anders als ihr Vorgänger genießt die neue Außenministerin das uneingeschränkte Vertrauen des Präsidenten

BERLIN taz ■ Colin Powell geht, Condoleezza Rice kommt: Bedeutet dieser Wechsel der Person an der Spitze des Außenministeriums auch eine neue US-Außenpolitik? Wenn, dann nur in diesem Sinne: Bushs Außenpolitik bleibt, wie sie ist. Widerspruch gibt es im Kabinett nun gar nicht mehr.

Im Unterschied zu Powell, der mit Bush nie wirklich warm wurde und auch deshalb nahezu alle Auseinandersetzungen mit Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizepräsident Dick Cheney verlor, genießt Rice das uneingeschränkte Vertrauen des Präsidenten. Für alle internationalen Gesprächspartner, die zukünftig mit der Außenministerin zu tun haben, bedeutet das mehr Verbindlichkeit – wo Rice draufsteht, ist Bush drin. Das gibt Rice mehr Gewicht, als Powell je haben konnte.

Interne Opposition hat Rice allenfalls aus ihrem eigenen Ministerium zu erwarten – der Großteil des diplomatischen Corps, die Mehrheit der Mitarbeiter im State Department gelten als moderat bis liberal. Sie haben Colin Powell geschätzt, weil er mehr Finanzmittel für das Ministerium aushandeln konnte, und mit ihm gehadert, weil er sich mit der Sicht des Außenministeriums nicht durchsetzen konnte. Mit Rice an der Spitze, so wird kolportiert, sehen viele die Integrität des State Department an sich bedroht. Das aber muss gar nicht so kommen.

Wenn Rice Bush von der Notwendigkeit rascher diplomatischer Initiativen in einigen vernachlässigten Brennpunkten überzeugt. Ganz oben auf der Tagesordnung muss der israelisch-palästinensische Konflikt stehen – mit dem Tod Jassir Arafats hat sich genau jene Möglichkeit aufgetan, von der die US-Regierung – und Rice persönlich – seit Jahren gesprochen hat. Lässt die Bush-Regierung diese Chance verstreichen und verharrt in der bisherigen lethargisch-einseitigen Unterstützung Ariel Scharons? Oder versucht sie tatsächlich, mit allen diplomatischen Mitteln, eine neue Verhandlungslinie aufzubauen, um die totgesagte Road Map doch noch ins Werk zu setzen?

Vom Ausgang der nächsten paar Monate hängt es ab, ob die USA in der arabischen Welt wenigstens etwas von dem gänzlich verlorenen Vertrauen wiedergewinnen oder nicht. Es spricht viel dafür, dass Condoleezza Rice das weiß. Wie geeignet sie aber ist, hier tatsächlich als machtvolle Maklerin und Architektin neuer Konzepte aufzutreten, ist ungewiss: Wo es bisher um konkretes Management unterschiedlicher Interessen in ihrem Verantwortungsbereich ging, nämlich etwa im Nationalen Sicherheitsrat der USA, wird ihr von allen Beteiligten Versagen attestiert. Die Themen, mit denen sich die US-Außenpolitik in der nächsten Zeit vorrangig beschäftigen muss, liegen auf der Hand: Irak, Iran, Nordkorea.

Und über allem steht die Frage, ob es eine neue Bush-Regierung schaffen kann, die unwilligen europäischen Verbündeten wieder mit ins Boot zu holen. Colin Powell etwa war ein guter Ansprechpartner für die französisch-britisch-deutschen Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm – aber wären die US-Streitkräfte nicht über alle Maßen im Irak gebunden, wäre es fraglich gewesen, ob der Widerspruch der Falken in Washington beim bisherigen leisen Grummeln geblieben wäre. Den USA fehlt eine eigene kohärente Strategie – der Irakkrieg überdeckte alles.

Condoleezza Rice kann gewiss die Fähigkeit zum strategischen Denken in sowohl militärischen als auch diplomatischen Kategorien unterstellt werden. Sie hat sich als Verfechterin des Irakkriegs profiliert, ohne neokonservative Ideologin zu sein. Wenn es ihr gelingen sollte, das Vertrauen des Präsidenten dazu zu nutzen, das Instrumentarium des Außenministeriums gegenüber dem Pentagon zu stärken, wäre viel gewonnen. Allerdings: Sie selbst wollte eigentlich lieber Verteidigungs- als Außenministerin werden. Zur Euphorie besteht also kein Grund.

BERND PICKERT