Echt schräg

Die französische Compagnie 111 regt mit ihrer Performance „Plan B“ Weltraumphantasien an

Als Pippi Langstrumpf in den 1960ern die Wände ihrer Villa Kunterbunt hochlief, wollten die Kinder sein wie sie. Wenn jetzt die vier Bewegungskünstler der Companie 111 (Olivier Alenda, Aurélian Bory, Alexandre Rodoreda, Loic Praud) die Wand der Bühne stürmen, ist es ebenso.

Leicht, elegant, und trotzdem mit einer immensen Kraft krabbeln sie die 6-Meter-Senkrechte hoch, als würden sie ihren Sonntagspaziergang absolvieren. Da steht der eine mit dem Gesicht zur Wand, der zweite tritt kurz in seine Kniekehle, stößt sich ab und schwebt auf seine Schultern, während der dritte schon Anlauf nimmt, um schließlich an ihnen entlang zum Gipfel aufzufahren. Sein gezielter Blick animiert die anderen, nachzukommen. Diese Blicke erzählen Geschichten: Ich kann was, was du nicht kannst. Und sie treiben die Performance voran. Denn sie finden immer eine Lösung, die Schwerkraft zu überwinden. Kostümbildnerin Sylvie Marcucci hat die vier Krabbler in dunkle Anzüge gesteckt.

Dieses Symbol für bürokratische Steife widerspricht nicht nur von Anfang an dem begeisterten Spiel der Akteure, sondern löst sich zum Ende immer mehr auf. Dem einen baumelt der Schlips wild am Hals, dem anderen hängt das weiße Hemd aus der Hose. Der dritte verfolgt seinen Aktenkoffer, der wie von Geisterhand bewegt über die schiefe Ebene nach oben gleitet.

Flugs verschwindet der Besitzer auf halber Strecke durch ein dunkles Loch, das sich plötzlich auf der schrägen Bühne von Chritian Meurisse und Pierre Dequivre auftut. Der Mann ist futsch, dafür schnellt ein weißer Jonglierball aus einer anderen Öffnung empor, vier Hände spielen damit, prellen ihn in einem Latinrhythmus, da taucht der Verschwundene aus der Versenkung wieder auf, lässt seinen eigenen Ball gegen Wand und Boden hüpfen, ergänzt den Klang mit seiner Melodie, deren Töne, wegen der weiteren Strecken, die sein Ball zurücklegen muss, zeitlich weiter auseinander liegen als die anderen. Regisseur Soltanoff und die Compagnie 111 erklären das Verhältnis des Menschen zu Raum, Zeit und Humor.

An diesen Variablen orientiert sich dieses Stück angewandter Physik namens Plan B. Mit Übergängen zur Magie, wenn die Performer auf dem Boden eine Kampfkunstshow geben. Per Beamer auf die Leinwand projiziert entsteht der Eindruck, dass sie sich im Weltraum prügeln: Gleitend, schwebend und wie Raketen zum Himmel auffahrend.KATRIN JÄGER

weitere Vorstellungen: 3.–6.12., 20 Uhr, Kampnagel