: Besteht Hartz in der Praxis?
„Personen, die sich nicht unverzüglich und nicht ernsthaft arbeitssuchend melden, haben nach dem Willen des Gesetzgebers finanzielle Nachteile nach §§ 37 b, 140 SGB III zu tragen.“ Der Sinn dieses neuen Gesetzes? Die Steigerung einer schnelleren und effizienteren Vermittlung von Arbeitslosen. Klingt logisch. Ist es das?
Stellen wir uns gemeinsam folgende Situation vor: Nach seiner fünfmonatigen Tätigkeit als Bürokaufmann leistet ein junger Mann seinen Zivildienst in einer integrativen Gesamtschule ab. Im Anschluss möchte er das Sozialpädagogikstudium aufnehmen. Zum 1. 8. 2003 endet sein Versicherungspflichtverhältnis, am 15. 9. 2003 beginnt das Wintersemester an einer staatlichen Fachhochschule. In der naiven Hoffnung, einen Studienplatz zu bekommen, wartet unser Zivi. Ein Freund rät ihm, sich für den dazwischen liegenden Zeitraum arbeitssuchend zu melden, denn so winke ihm ein Leben wie Gott in Frankreich – zumindest für einen Monat. Der Freund spricht aus eigener Erfahrung und versichert, dass eine Vermittlung für einen so kurzen Zeitraum ausgeschlossen werden könne. Das habe ihm sogar das Arbeitsamt, pardon, JobCenter, bestätigt. Unser Zivi entscheidet sich dafür, das Geld vom Staat bewusst nicht in Anspruch zu nehmen. Er denkt zu sozial, der Arme. Für ihn handelt es sich immerhin um einen wenn auch legalen sozialen Betrug.
Er schafft es, die 1 [1]/2 Monate mit dem Zivildienstentlassungsgeld sowie einer Aufwandsentschädigung von der Lebenshilfe zu überbrücken. Außerdem kümmert er sich für den besagten Zeitraum um eine Versicherung. Doch die Geschichte nimmt ihren Lauf. Unser Zivi bekommt keinen Studienplatz. Hatte er die Möglichkeit, sich einen guten Monat zu finanzieren, so schwimmt er doch nicht im Geld. Der letzte ihm verbleibende Weg führt zum Arbeitsamt, pardon, JobCenter. Er muss sich wider Willen arbeitssuchend melden, um seine Miete zahlen und sich ernähren zu können. Dort erfährt er, dass er zunächst nicht den vollen Satz Arbeitslosengeld erhält.
Zurück zum Hartz-Konzept. Unser Zivi hat sich nicht fristgerecht zum 1. 8. 2003 arbeitssuchend gemeldet, als sein Versicherungspflichtverhältnis endete. Er hat sich nach bestem Wissen und Gewissen arbeitssuchend gemeldet, als er die Studienplatzabsage von der ZVS in den Händen hielt. Dieser Tatbestand wird ihm nun zum Verhängnis: Für die folgenden drei Monate gibt es einen Abzug vom Arbeitslosengeld in Höhe von 1.050 Euro. […] Der Abzug wird als Strafe für die verspätete Meldung von den ersten drei Monatsraten subtrahiert. Können Sie mir vielleicht sagen, wie man von 329,84 Euro monatlich in Köln leben soll? Eine Beschwerde hat unser Zivi längst geschrieben, eine Antwort hat er nach 49 Tagen erhalten. Nachvollziehen könnten es alle Beamten, aber Sie wissen, Herr Zivi, nach dem Gesetz? – Beschwerde abgelehnt.
Deshalb: Füße vom Tisch, Herr Hartz! Jede Reform weist in der Praxis Schwächen auf. Jetzt arbeiten Sie daran, Ihr Konzept sozial vertretbar zu machen! MAREN THOMAS, Köln