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Archiv-Artikel

Berliner Altlasten

SKA-PUNK-REUNION Vor drei Jahren hatte sich die Berliner Ska-Punk-Band „Mutabor“ bereits aufgelöst. Heute steht sie wiedervereinigt in der Fabrik auf der Bühne

„Wer loslassen kann, kommt irgendwann an“, lautet das Bandmotto

Mit der Wiederauferstehung ist das im Music-Business ja so eine Sache. Den einen geht schlicht das Geld aus, die anderen können es nicht mehr ertragen, sich nicht auf der Bühne in Pose zu werfen und wieder andere brauchten eigentlich nur eine Auszeit. Letzteres war nach rund 700 Konzerten und einer knappen Handvoll Platten bei den Berliner Verwandlungskünstlern von „Mutabor“ der Fall.

Aber schließlich leitet sich ja schon der Bandname von dem Zauberspruch aus dem Märchen „Kalif Storch“ von Wilhelm Hauff ab – und bedeutet nichts anderes als: „Ich werde verwandelt werden.“ Verwandeln, Neues entdecken und mit Einflüssen spielen ist Programm bei der Studentenband „Mutabor“. Deren Wiege steht in Wismar, wo Frontmann und Songwriter Axel Steinhagen einst mit Tilmann Walter, ehemals Gitarrist, die Band bei einigen Bieren aus der Taufe hob. In grauer Vorzeit, nämlich 1990, war das, und aus der Idee, alte Studenten- und Kneipenlieder mit Flöte und Akkordeon zu intonieren, wurde schließlich eine Studentenband mit satten Vibes.

Die begann alsbald Berlin unsicher zu machen und wurde zu einem Sprachrohr von Ökos, Hippies, Punks und Autonomen. Diese vier Basis-Fangruppen finden sich auch regelmäßig vor der Bühne ein, wenn Band-Ikone Axel Steinhagen zum gepflegtem Pogo bittet. Der zählt zu übrigens den Typen, die wirklich den Rucksack schultern und ein paar Monaten auf Tour sind, um die andere Seite der Welt kennenzulernen. Geld ist dabei eher ein Übel denn ein Segen und in Äthiopien hat sich der Mann mit dem zotteligen Kinnbart die eine oder andere Inspirationsspritze geholt.

Texte, die von Freiheit, Selbständigkeit und Individualität handeln, sind davon genauso inspiriert wie die daraus folgende Absage an jeglichen Konformismus. Dafür stehen Songs wie „Abgestandenes Bier“, die Bandhymne, und eingefleischte Fans ziehen Parallelen zu „Mano Negra“ und dem charismatischen Manu Chao.

Allerdings bedienen sich die Berliner aus ganz anderen musikalischen Töpfen. So haben Balladen wie „So weit ist das Meer“ einen starken irischen Touch, für den vor allem Flöte und Geige verantwortlich sind. Die gehören bei Mutabor von Beginn an zum Instrumentarium und verleihen den Berlinern einen prägnanten Touch, der trotz aller musikalischen Ausflüge, ob nach Jamaika oder Lateinamerika, nicht zu überhören ist.

Dabei sind Mutabor vor allem Live-Band, denn nach rund 16 Jahren Bandgeschichte ist der Output der Band mit gerade vier Alben nicht gerade üppig. Für Energiebündel Axel Steinhagen, der live stundenlang auf der Bühne den singenden Derwisch gibt, ist das allerdings zweitrangig. Von ihm stammt schließlich auch das Bandmotto: „Wer loslassen kann, kommt irgendwann an“.

Heute Abend sind „Mutabor“ das erste Mal seit der Wiedervereinigung in Hamburg zu sehen. Und wenn sie um 21 Uhr die Bühne der Fabrik betreten, ist eines auf jeden Fall sicher: Sie werden sich verwandelt haben.KNUT HENKEL

Do, 23. 4., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36