: Der Mann, der Müll und die Gesundheit
Über das Gesundheitsbewusstsein von Bremer Müllmännern gibt jetzt erstmals eine Magisterarbeit Aufschluss: Müllwerker lieben ihre Familie und die Arbeit an der frischen Luft. Überstunden allerdings und schlechte Chefs halten sie für Krankmacher
Bremen taz ■ „Endlich eine Arbeit zum Thema Men’s Health.“ Petra Kolip, Professorin und Gesundheitsforscherin am Bremer Studiengang „Öffentliche Gesundheit“ (siehe Kasten) ist voll des Lobes: Die jetzt vorgelegte 200-seitige Arbeit über „Gesundheitsförderung von Arbeitern“ nämlich räume auf mit dem Klischee, dass Männer für Gesundheitsvorsorge eher nicht zu erreichen wären. Sie zeige vielmehr – und das gilt als Besonderheit in der deutschen Gesundheitsforschung – am Beispiel männlicher Müllwerker, dass diese ihren Körper durchaus sensibel wahrnehmen und sogar ein komplexes Gesundheitsverständnis haben. „Viele würden sogar Kurse zur Prävention wahrnehmen – wenn es Kinderbetreuung gäbe“, sagt Kolip. Sie wünsche sich, dass solche Ergebnisse aus der kleinen Studie von Felicitas Jung bekannt werden. Die Autorin erhielt für ihre Abschlussarbeit im Aufbaustudiengang „Öffentliche Gesundheit“ (siehe Kasten rechts) eine Auszeichnung.
14 Bremer Müllwerker im Alter von 35 bis 56 Jahren hat Jung, die im Hauptberuf im Bremer Gesundheitsamt arbeitet, für ihre Arbeit befragt. Anlass gab es aus ihrer Sicht genug. „Männlichkeit ist eine hoch riskante Lebensform“ – dieses Zitat aus der Medizin-Zeitschrift Dr. med. Mabuse hatte sie ihrer Untersuchung voran gestellt – kombiniert mit Fakten aus der Statistik: Männer sterben sechs Jahre früher als Frauen – heute mehr noch als vor 100 Jahren. Alarmierend zudem: Männer in gering qualifizierten Dienstleistungsberufen sowie männliche Arbeiter haben das höchste Sterberisiko – während sie zugleich zu den sportlich Inaktiven, den Rauchern, Trinkern und Übergewichtigen dieser Nation zählen. Bislang galt auch, dass sie Präventionsmaßnahmen mit Vorbehalten gegenüber stehen. Diese allerdings ließen sich abbauen, so Autorin Jung. Eine Voraussetzung benennt sie: Solche Angebote müssten Männer konkret ansprechen. Auch Ärzte könnten hier einwirken: Neben der Ehefrau oder Partnerin sind sie diejenigen, die präventionsfaule Männer motivieren, mehr für die Gesundheit zu tun.
Dass das Feld der Vorsorge noch beackert werden kann, zeigt die Befragung auch. So rauchen die meisten der Müllwerker, gehen aber – als Prototyp des harten Mannes – eher krank zur Arbeit als zum Arzt. Möglich, dass dahinter die Sorge um den Arbeitsplatz steht. Die Vergrößerung von Touren und abnehmende Kollegialität werden mehrfach als belastend angesprochen. Übrigens auch schlechte Arbeitsplanung und kurzfristiges Überstunden-machen-müssen. Vor allem dies nämlich scheint der Gesundheitsstrategie von Müllwerkern entgegen zu stehen: sie essen nicht so gerne gesund. „Man erwischt mich am Abend schon mal mit einer Tafel Schokolade“, räumt mancher ein. Auch ist das Rauchen für fast alle Gewohnheit. Doch liegt das Gegengewicht zur harten körperlichen Arbeit in Beziehung, Familie und Freizeit. Solange es da stimmt, so das Fazit, arbeiten die Männer darauf hin, „langfristig Durchhalten zu können“. Gezielte Entspannung und Erholung gönnten sie sich erst bei Schmerzen. ede