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Archiv-Artikel

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Senat und Bahnchef Mehdorn einigen sich nach Stilllegungs-Ultimatum auf neuen Verkehrsvertrag – indem sie den strittigsten Punkt einfach auslagern und ihn notfalls gerichtlich klären lassen wollen

VON STEFAN ALBERTI

Die S-Bahn fährt auch über den 13. Dezember hinaus. „Wir haben uns in den wesentlichen Punkten geeinigt“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gestern nach einemSpitzengespräch mit Hartmut Mehdorn, dem Chef der S-Bahn-Mutterfirma Deutsche Bahn. Der hatte am Wochenende gedroht, ab Monatsmitte keine S-Bahnen mehr fahren zu lassen, wenn bis dahin kein neuer Vertrag vorliegt. Ein neuer Verkehrsvertrag wird laut Wowereit „in den nächsten Tagen“ unterschriftsreif sein. Das Streckennetz soll komplett erhalten bleiben.

Damit wäre ein fast zweijähriger vertragsloser Zustand beendet: Seit 31. Dezember 2001 fährt die S-Bahn auf der Basis von Zwischenvereinbarungen. Mehdorn, der von schwierigen Verhandlungen sprach, hatte öffentlich Planungssicherheit und mindestens zehn Jahre Laufzeit gefordert. Im Ergebnis holte er gestern mehr heraus: Über 15 Jahre soll der neue Vertrag rückwirkend ab Januar 2003 laufen.

Im Gegenzug für solche Sicherheit gibt sich die Bahn jährlich mit 26 Millionen Euro weniger als bislang zufrieden. „Wir müssen sparen, um das umsetzen zu können“, sagte Mehdorn und kündigte mit dem Begriff „Personalanpassungsmaßnahmen“ Stellenabbau an. Der Senat hatte in den Verhandlungen der vergangenen Monate durchzusetzen versucht, die bisherige Jahressumme von rund 230 Millionen Euro um 48 Millionen zu kürzen. Über die Differenz von 22 Millionen soll laut Wowereit außerhalb des Vertrags weiter verhandelt oder gerichtlich entschieden werden. Den Vertrag gefährde das nicht.

Bei den 22 Millionen geht es um Geld, das die S-Bahn der Deutschen Bahn für die Gleistrassen bezahlt. Diese Beträge gelten als überhöht. Hier könne die S-Bahn sparen, ohne bei Personal, Netz oder Takt der Züge kürzen zu müssen, hatten Experten kritisiert. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung argumentiert mit dem Stadtstaatenvergleich: „Hamburg zahlt diesen Trassenpreis auch nicht“, sagt Sprecherin Petra Reetz.

Einer, der die Trassen-Praxisgenau kennt, saß in dem gestrigen Treffen mit Reetz’ Chef Peter Strieder (SPD), Wowereit und Mehdorn zusammen: Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), der vor seinem jetzigen Job bis Ende 2001 Vorstand bei der Deutsche Bahn Netz AG war. Dass Sarrazin und sein früherer Boss verhandeln mussten, gab dem Gespräch einen besonderen Kick, denn Sarrazin verließ die Bahn nicht im Frieden. Mehdorn versuchte, diesen Aspekt klein zu reden: „Das hat keinen Einfluss gehabt.“

Zur Einigung gehört auch, zukünftig für Wettbewerb zu sorgen: Die Nord-Süd-Strecken des S-Bahn-Systems sollen 2010 ausgeschrieben werden. Drei Jahre später könnte ein anderer Anbieter dort Züge fahren lassen. Ob sich die S-Bahn GmbH an der Ausschreibung beteiligt, sei noch offen, sagte Firmensprecher Ingo Priegnitz der taz. Die Nord-Süd-Strecke umfasst die auf dem Netzplan rosa und grün markierten Linien 1, 2 und 25 und macht ein Drittel des derzeitigen Betriebs aus.

Wowereit will trotz des Ultimatums vom Wochenende nie Zweifel daran gehabt haben, dass die S-Bahn auch noch am 14. Dezember fahren würde, und „Herr Mehdorn sicher auch nicht.“ Der Herr Mehdorn grinste und sagte dazu nichts. Unbestreitbar ist eine gewisse zeitliche Nähe zwischen Drohung und gestriger Einigung. Angeblich hätte der Senat die S-Bahn GmbH zwingen können, ihre Züge fahren zu lassen. Verkehrspolitiker von SPD und PDS hatten aber auch gewarnt: Bei einem Mehdorn, der bei der Bahn ein stark kritisiertes Preissystem durchdrückte und die beliebte Bahncard kippen wollte, könne man nie wissen.