: Ohne Krieg kein Schutz mehr für Iraker
UNHCR und Pro Asyl: Gegen 4.500 Flüchtlinge in Deutschland laufen Verfahren, die zur Abschiebung führen können
BERLIN taz ■ Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl haben Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) in getrennten Briefen aufgefordert, geflohenen Irakern weiter Schutz in Deutschland zu gewähren. Das Bundesamt für Migration, das Schily untersteht, geht seit Ende vergangenen Jahres im großen Stil gegen amtlich anerkannte Flüchtlinge aus dem Irak vor. Nach offizieller Statistik erhielten in Deutschland 8.000 Iraker Asyl oder eine Anerkennung aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention. Bis Juli wurde in mindestens 4.500 Fällen ein so genanntes Widerrufsverfahren eingeleitet. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Laut Bundesamt sind mit dem Sturz Saddam Husseins und dem Regimewechsel im Irak die Fluchtgründe entfallen.
Eine Abschiebung in den Irak müssen die Flüchtlinge vorerst noch nicht fürchten – wegen der riskanten Sicherheitslage fliegen zivile Airlines den Irak nicht an. Mit dem Verlust ihres Schutzstatus verlieren Flüchtlinge aber soziale Rechte und eine Perspektive in Deutschland: Sie dürfen nicht mehr arbeiten, keine Ausbildung machen und nicht studieren. Ihnen stehen keine Sprachkurse und kein Kindergeld mehr zu. Die Behörden können sie zudem in so genannte Ausreisezentren einweisen.
Die Genfer Flüchtlingskonvention sehe jedoch einen Entzug des Flüchtlingsschutzes erst vor, so Bernd Mesovic von Pro Asyl, „wenn eine grundlegende und dauerhafte Veränderung der Umstände im Herkunftsland eingetreten und effektiver staatlicher Schutz wiederhergestellt worden ist. Davon kann im Irak keine Rede sein.“ Eine Sprecherin des Ministeriums hält dagegen: „Der Irak ist auf dem Weg zu demokratischen Verhältnissen. Die Genfer Flüchtlingskonvention wird somit nicht verletzt.“
Anders als Schilys Behörde hält das Auswärtige Amt den Irak nach wie vor für ein gefährliches Pflaster. In seinem aktuellen Länderbericht warnt es eindringlich vor Reisen und rät Deutschen, das Land zu verlassen. Auch die irakische Flüchtlingsministerin Sorya Pascale Isho warnte Anfang November bei ihrem Besuch in Berlin vor einer verfrühten Rückkehr irakischer Flüchtlinge. Diese könnte zu einer weiteren Destabilisierung des ohnehin fragilen Wiederaufbaus führen und die Sicherheits- und Versorgungsprobleme noch verschärfen. MARINA MAI