: DER LADENHÜTER VON HANAU
Wie verkaufe ich eine Plutoniumfabrik? Diese Frage bereitet der Siemens AG seit Jahren Kopfzerbrechen. 1982 hatte das Münchner Unternehmen mit dem Bau der 700 Millionen Euro teuren Anlage begonnen. Sie sollte nach dem so genannten MOX-Verfahren arbeiten, bei dem das in Kernkraftwerken anfallende Plutonium mit Uran zu Brennstäben verarbeitet wird.
1991 war die Mammutfabrik nahezu fertig gestellt – bereit, das risikoreiche Vorläufermodell zu ersetzen, das länger als 20 Jahre in Betrieb gewesen war. Doch selbst hochmoderne Sicherheitsstandards und zwei Meter dicke Mauern aus Stahlbeton konnten die Anlage nicht vor Kritikern schützen. Der damalige hessische Umweltminister Joschka Fischer erteilte dem Projekt – und der Atomkraft generell – eine Abfuhr. Und obwohl sich der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) für eine Inbetriebnahme des Werkes einsetzte, hob der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel im Juli 1993 drei von sechs Teilgenehmigungen für die Plutoniumfabrik auf. Zwar wurde diese Entscheidung ein Jahr später vom Bundesverwaltungsgerichtshof in Berlin revidiert. Doch die potenziellen Kunden der Plutoniumfabrik, die deutschen Atomkraftwerke, hatten sich in der Zwischenzeit anderweitig getröstet – und zunehmend Wiederaufarbeitungskapazitäten im Ausland gebucht.
So wurde der atomare Siemens-Traum 1995 endgültig begraben und die nagelneue Anlage stillgelegt. Zumal die am Bau beteiligten Kraftswerksbetreiber kein Geld mehr in das ungeliebte Stiefkind investieren wollten. Auch die vermeintlich rettende Idee, in der Anlage Plutonium aus sowjetischen Atomsprengköpfen zu verwenden, wurde schnell begraben. Denn das hätte zahllose Transporte nach Hanau notwendig gemacht. Am Transport-Problem scheiterte 2001 auch das zweite Notprogramm: der Verkauf der MOX-Anlage nach Russland. Und so verschlingt die nie benutzte Plutoniumfabrik auch nach ihrer Stilllegung jährlich rund eine Million Euro – für ihre Wartung. BETTINA GARTNER