: International im Geschäft
Irgendwie ist es möglicherweise beruhigend, dass das große Unterhaltungsgeschäft, da, wo wirklich die Massen bewegt werden, sich gar nicht über einen Kamm scheren lässt. Wenn man zum Beispiel den Fußball und die Popmusik zum Vergleich nimmt: Beides spielt zumindest oben im Geschäft in den großen Stadien, beides ist international vermarktbar, und trotzdem ist es schwer vorstellbar, dass jetzt etwa Thom Yorke mit einer millionenschweren Ablösesumme für die nächste Saison von Radiohead zu Coldplay wechseln könnte, so wie das in den Fußballligen allgemeine Praxis ist.
Einfach nur ein Starensemble zusammenkaufen: so funktioniert Pop nicht. Und international besetzt wie eine beliebige Bundesligamannschaft ist eine Band halt nur, wenn das die nähere Umgebung hergibt. Dass sich die immer mehr ändert, ist prinzipiell schon auch ein Anliegen der EU, die idealerweise wenigstens manche Grenzen auf Bodenhöhe nivellieren will, sodass man mühelos darüber hinwegkommt. Diese Freizügigkeit funktioniert in Berlin bereits recht gut, wo man – billige Mieten, und die anderen sind doch auch schon da – einen regelrechten künstlerischen Braindrain in Gang gesetzt hat. Die Musiker schauen nicht mehr nur auf diese Stadt. Sie wohnen hier.
Ein paar aber halten doch anderswo die Stellung, und aus alter Gewohnheit sortiert man trotz dem ganzen Crossover den Pop immer noch gern nach Ländergrenzen. Man hat so seine Erfahrungswerte: Italienische Rockmusik etwa ist allgemein eher nur na ja, während finnische Popmusik oft was herrlich Verschrobenes hat. Das sagt man auch von der isländischen Musik, die heute bei der Europäischen Clubnacht schwänzt, aber sie hatte ihre Showcase auch bereits am Dienstag, beim monatlichen Nordrid-Termin mit Island-Pop im Admiralspalast. Mammút spielten sich da kieksend in die Nähe von schlichteren Kate-Bush-Liedern oder den 4 Non Blondes, falls die noch jemand kennt (deren Linda Perry schreibt nun Songs für Pink und Gwen Stefani). Also schon leicht schräg, aber doch eher mittelkandidelt und bestimmt das heiße Ding in Islands Jugendhäusern, und noch heißer waren Reykjavik!, weil die für ihren Punkrock wild auf der Bühne durcheinander sprangen. Ganz unverschroben, ganz normal.
Aber vielleicht gibt es auf Island ja gar keine Jugendhäuser, weswegen die Bands eben anderswohin verschoben werden müssen. Und das wiegt als Argument doch schwerer als die paar Illusionen über seltsam schrägen Islandpop, die dabei dann zerrupft werden. THOMAS MAUCH