DOMINIC JOHNSON ÜBER SÜDAFRIKAS WAHL : Das Rätsel Jacob Zuma
Den einen gilt Südafrikas ANC-Chef und zukünftiger Präsident als gnadenloser Demagoge, der die Gewaltenteilung geringschätzt und Südafrika in einen faktischen ANC-Einparteienstaat verwandeln will. Für die anderen ist er das fehlende Bindeglied zwischen der bitterarmen Bevölkerungsmehrheit und einer überwiegend mit sich selbst beschäftigten politischen Elite – der Mann, der die zunehmende Spaltung der südafrikanischen Gesellschaft überwinden kann.
Für beide Sichtweisen gibt es Belege, und beiden ist eine Erkenntnis gemein: Zuma bedeutet für den ANC den Bruch mit seinem althergebrachten Minderwertigkeitskomplex gegenüber Südafrikas Weißen. Er verkörpert ein neues Selbstbewusstsein, mit einer teils überschießenden Unbefangenheit, die im Grunde aber der südafrikanischen Gesellschaft ungemein guttut. Aber was das politisch bedeutet, bleibt unklar. Wird Zuma sich in die Achse Chávez/Gaddafi einreihen und das Land zum afrikanischen Unruhestifter machen? Dagegen spricht seine Verwurzelung in der neureichen ANC-Elite, die in fünfzehn Jahren an der Regierung viel ökonomische Macht angehäuft hat und die es sich nicht leisten kann, Südafrika in die internationale Isolation zu führen. Wird er die bisherige ANC-Politik der kleinen Schritte fortführen? Dagegen sprechen die Hartnäckigkeit, mit der er sich an die Spitze des ANC gekämpft hat, und die Radikalität seiner politischen Freunde, von Winne Mandela bis zu den Kommunisten.
Es täte Südafrika gut, wenn es nicht darauf wartet, wie der neue Führer das Rätsel löst. Vielmehr sollten die politischen Kräfte nach einem sehr polarisierten Wahlkampf jetzt selbst sagen, was sie wollen – nicht zuletzt der ANC. Die Zeit für eine offene politische Zukunftsdiskussion ist mit dieser Wahl nicht vorbei: sie hat gerade erst begonnen.