DIE AUSLÄNDER SOLLEN AUCH AM SCHLECHTEN PISA-SCHNITT SCHULD SEIN: Wirkung und Ursache
Die Debatte um die Zukunft der multikulturellen Gesellschaft ist im vollen Gange, und überall wird um die Probleme mit der Integration von Zuwanderern gestritten. In diese Situation platzt nun die neueste Pisa-Studie zum Bildungsstand deutscher Schüler. Sie landen im europäischen Vergleich einmal mehr auf den hinteren Plätzen. Da liegt es nahe, auch die Pisa-Studie in diesem Licht zu lesen.
Der niedersächsische Kultusminister Bernd Busemann (CDU) hat das getan und beklagt, die Kinder von Ausländern und Aussiedlern würden den Pisa-Schnitt senken. Seine hessische Amts- und Parteikollegin Karin Wolff kritisiert, den Kindern von Zuwanderern mangele es an Sprachkompetenz. In ihrem Bundesland gilt deshalb: Nur wer Deutsch kann, kommt in die erste Klasse.
Sind also die Ausländer an der Bildungsmisere schuld? Eine solche Interpretation der Pisa-Studie schiebt nicht nur allein den Migranten den schwarzen Peter zu, wenn es um den mangelnden Schulerfolg ihrer Kinder geht. Sie verkennt auch, dass es nicht allein an ihnen liegen kann, dass die Pisa-Ergebnisse so schlecht ausgefallen sind. Denn dafür fallen sie statistisch nicht genug ins Gewicht, Defizite gibt es reichlich auch bei den Schülern deutscher Muttersprache.
Umgekehrt wird allerdings ein Schuh daraus. Denn die Pisa-Studie hat festgestellt, dass in keinem anderen Industrieland die Bildungschancen und der Schulerfolg für Kinder so sehr vom richtigen Elternhaus, von Familieneinkommen und Vorbildung abhängen wie in Deutschland. Da Migrantenkinder meist auch aus bildungsfernen Arbeiterfamilien stammen, sind sie gleich mehrfach benachteiligt: aufgrund von Schichtzugehörigkeit und Sprachschwierigkeiten.
Es sind also weniger die deutschen Schulen, die unter ihren Migrantenkindern leiden. Sondern die Kinder der Einwanderer sind von den Nachteilen des deutschen Schulsystems besonders betroffen. Dieses Problem zu vernachlässigen ist ein Luxus, den sich die Gesellschaft nicht mehr länger leisten kann, egal ob man sie als multikulturell oder nicht versteht. DANIEL BAX
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