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Archiv-Artikel

Serengeti lebt noch immer

NATURSCHUTZ Bernhard Grzimek machte die Serengeti weltberühmt – heute wäre er 100 geworden. Seine Nachfolger plagen sich mit alten und neuen Bedrohungen für den Park

Bernhard Grzimek

24. April 1909: Geboren im oberschlesischen Neiße

1960: „Serengeti darf nicht sterben“ erhält den Oscar

1967–1974: Grzimek veröffentlicht sein mehrbändiges „Tierleben“, eine wichtige Enzyklopädie

13. März 1987: Grzimek stirbt an Herzversagen, während er einer Tigernummer im Zirkus zusah

AUS DER SERENGETI (TANSANIA) MARC ENGELHARDT

Wenn im Süden der Serengeti die Regenzeit beginnt und das erste Gras sprießt, ziehen hunderttausende Gnus durch das Seronera-Plateau, wo Markus Borner sein Büro hat. Der 63-jährige Schweizer ist Afrika-Direktor der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft und verwaltet das Erbe von Bernhard Grzimek in der Serengeti.

„Prof“ wurde Grzimek hier respektvoll genannt. Während er in Deutschland vor allem als Fernsehonkel Furore machte („Guten Abend, meine lieben Freunde“, näselte er stets, bevor die Kamera aufzog und damit verriet, welches Tier er bei „Ein Platz für Tiere“ mit ins Studio gebracht hatte), wird Grzimek hier bis heute als Schöpfer des Nationalparks gefeiert, den Tansanias Regierung vor 50 Jahren ausrief.

Gemeinsam mit seinem Sohn Michael kartierte der Veterinär und Verhaltensforscher als Erster von Bord seiner einmotorigen Dornier die Wanderungen der Gnus und Zebras und trug damit dazu bei, die richtigen Parkgrenzen festzulegen. Die Tierwanderung ist es, die die Serengeti so einmalig macht. Von der Massai Mara in Kenia, die sich nördlich anschließt, bis zum Grasland im Süden legen die Gnus jedes Jahr tausende Kilometer zurück.

Wie Grzimek, so steigt Borner auch heute noch während der Wanderung in seine zebragestreifte Maschine, um die Herden auszuzählen. Die Bilder werde heute zwar mit einer hochauflösenden elektronischen Kamera gemacht, berichtet Borner, doch wie zu Grzimeks Zeiten wird auf der Grundlage von gut 3 Prozent die Zahl der Gnus hochgerechnet. „Auf 100.000 mehr oder weniger kommt es nicht an, Hauptsache, der Trend stimmt.“ Und der zeigt steil nach oben. Seit Grzimeks erster Zählung, als eine Rinderpest die Zahl der Gnus und Zebras auf rund 150.000 dezimiert hatte, ist die Zahl allein der Gnus auf mehr als 1,2 Millionen gestiegen. „Ich glaube, Grzimek wäre sehr überrascht, wenn er sich das heute ansehen könnte.“

Seine Fernsehpopularität nutzte Grzimek geschickt für Kampagnen gegen Robbenschlachten, Legebatterien und Froschschenkel – und für die Serengeti. Der Oscar-gekrönte Dokumentarfilm „Serengeti darf nicht sterben“ machte die Region weltberühmt. Ein Visionär und Querdenker sei er stets gewesen, sagt Markus Borner, der in der Serengeti oft und viel mit Grzimek gearbeitet hat. Jemand, der selbst Afrikas empfindlichen Präsidenten sagte, was er dachte. „Grzimek konnte agieren wie am Königshof der Hofnarr.“ Doch Grzimek schaffte auch Geld heran: Rund 1 Million Euro fließt seit den 50ern jährlich von Frankfurt in die Serengeti. Als Borner 1984 eintraf, wurde das Geld dringend gebraucht. „Als ich kam, waren die Ranger schon seit Monaten nicht bezahlt worden.“ Die Wildhüter hatten begonnen zu wildern, um ihre Familien zu ernähren.

Schon in „Serengeti darf nicht sterben“ beschrieb Grzimek Wilderei und Bevölkerungsdruck als größte Probleme für die Serengeti. Borner plagen heute noch die gleichen Kopfschmerzen. „Die Bevölkerung rund um den Park wächst, den Tieren wird immer mehr Rückzugsraum abgeschnitten.“ Dazu kommen die jährlich gut 150.000 Besucher, die die knappen Wasserressourcen bedrohen. Inzwischen haben Tourismusindustrie und Nationalparkamt unter Borners Vermittlung einen Managementplan entworfen, der den Park in Zonen einteilt. „Wir wollen es auch Tansaniern und Leuten mit kleinen Geldbeuteln ermöglichen, in die Serengeti zu kommen“, erklärt Borner. „Aber es wird Zonen geben, wo nur wenige oder keine Touristen hindürfen.“ Behindern will Borner den Tourismus keinesfalls: Die Einnahmen werden gebraucht, um die Wildhüter zu finanzieren. Ohne diesen Schutz wäre die Tierwelt der Serengeti wohl bald wieder vom Tod bedroht.