: Aussage gegen Aussage im Fall Daschner
Magnus Gäfgen, der Mörder des 11-jährigen Jakob von Metzler, bekräftigt seine Vorwürfe gegen Frankfurter Polizisten. Er sei geschlagen und bedroht worden. Kripobeamter hatte zuvor erklärt, er habe Gäfgen nur „eindringlich ins Gewissen geredet“
AUS FRANKFURT AM MAINKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Am dritten Verhandlungstag im Nötigungsverfahren gegen den Frankfurter Vizepolizeipräsidenten Wolfgang Daschner und den Kriminalkommissar Ortwin Ennigkeit hat gestern das angebliche „Folteropfer“ Magnus Gäfgen ausgesagt. Der wegen Entführung und Mordes an dem 11 Jahre alten Bankierssohn Jakob von Metzler zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilte ehemalige Jurastudent belastete dabei den Polizisten Ennigkeit schwer.
Der 54 Jahre Verhörspezialist habe ihm bei seiner Vernehmung am 1.10.2002 mit der Zufügung von „Schmerzen, wie ich sie noch nie erlebt hätte“ gedroht, falls er sich weigere, den Ort zu nennen, an dem der Junge gefangen gehalten werde. Später, so Gäfgen, habe er sagen sollen, wo er den „Leichnam“ versteckt habe. Ennigkeit habe ihm dann damit gedroht, dass ein „Spezialist“, dessen Arbeit keine Spuren hinterlasse, schon unterwegs zum Polizeipräsidium sei. Und dann habe Ennigkeit ihn noch damit konfrontiert, dass er sich gar nicht vorstellen könne, „was für Unfälle hier passieren können“. Dabei habe er ihm „mit der flachen Hand vor die Brust geschlagen“. Wie Gäfgen schon in seinem Mordprozess 2003 ausführte, habe ihm der Beamte auch angedroht, ihn mit „zwei fetten Negern“ in eine Zelle zu sperren, die ihn „vergewaltigen“ würden. Gestern schob Gäfgen dazu sehr unappetitliche Details nach. Da habe er dann „richtig Angst bekommen“ und alles gesagt.
Doch wie glaubwürdig ist Gäfgen? Mit der – vorgeschriebenen – Belehrung der Richterin jedenfalls, dass er als Zeuge bei einer Falschaussage auch bestraft werden könne, dürfte der in Handschellen vorgeführte Insasse des Hochsicherheitstrakts der JVA Schwalmstadt wohl kaum zu beeindrucken sein. Im Verlauf seiner Befragung durch die Anwälte der beiden Angeklagten musste er wiederholt einräumen, bei den ersten Vernehmungen gelogen zu haben. So gab er zu, selbst seiner Mutter, die damals von der Polizei beigezogen worden war, eine erfundene Geschichte aufgetischt zu haben, in der er sich als „Erpressungsopfer“ gerierte. Und auch, dass er in den zahlreichen Vernehmungen bei der Staatsanwaltschaft nach seinem Mordgeständnis über mehr als zwei Monate hinweg nichts von der – angeblichen – Androhung der Folter gesagt habe. Erst nachdem in einem Zeitungsbericht davon die Rede war, dass Gäfken angedroht worden sei, ihm würden „alle Zähne eingeschlagen“, äußerte er sich im Januar 2003 erstmals konkret. Das sei „alles nur Prozessstrategie“ gewesen, so die Anwälte Daschners gestern. Einem „Folteropfer“, so die mutmaßliche Spekulation von Gäfgen, wäre wohl die Sicherheitsverwahrung erspart geblieben. Auf Befragung sagte Gäfgen dazu – nichts.
Da Ennigkeit mit Gäfgen allein im Verhörraum war, steht jetzt Aussage gegen Aussage. Der Beamte hatte vor Gericht ausgesagt, er sei der Anordnung Daschners, dem Tatverdächtigen mit Zufügung von Schmerzen zu drohen, nicht nachgekommen. Er habe Gäfgen nur „sehr eindringlich ins Gewissen geredet“. Dass Daschner, der über seine Anordnung einen Aktenvermerk anfertigte, seinen Kollegen Ennigkeit entsprechend instruiert hatte, steht nach der Aussage des Kriminalbeamten P. gestern wohl außer Frage. Er habe von Daschner einen Auftrag erhalten, der „ein bisschen geheim“ sei, habe ihm Ennigkeit gesagt, so P. auf Nachfrage der Richterin. Und weiter, dass man Gäfken vielleicht ein Wahrheitsserum verabreichen oder ihm „Gewalt androhen“ wolle. P. reagierte „perplex“ darauf. Eine solche Verfahrensweise, so der Beamte gestern empört, „gehört nicht zu meiner Vorstellungswelt“.