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Archiv-Artikel

Zwei Trainer-Welten

Mönchengladbach verliert gegen den HSV. Die Bilanz von Trainer Dick Advocaat gleicht der seines Vorgängers

MÖNCHENGLADBACH taz ■ Im neuen Borussia-Park gibt es viele Stockwerke mit vielen langen Fluren. Und ständig fragt man sich beim Marsch durchs Treppenhaus, was hinter all diesen Türen wohl stecken könnte. Aus einer schlich am Samstag um Viertel nach fünf jedenfalls Toni Polster – und wirkte dabei, als käme er gerade aus einem überhitzten Raum, in dem Punsch und Eierlikörplätzchen gereicht worden waren. Schlapp wirkte der einstige Stürmer, heute in Borussias Marketingabteilung einer von vier Männern für den „Vertrieb Fußball“, und mit entsprechend müder Stimme polsterte er: „Eieiei – jetzt is‘ es vorbei.“

Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte also auch der Österreicher das 1:3 der Gladbacher gegen den HSV gesehen. Und dabei mitbekommen, um wie viel höher das Niveau der Hanseaten ist – bei einem Team, zu dem Dick Advocaat mit einem Sieg „unbedingt“ hatte aufschließen wollen. Aber nun war der Gegner auf sechs Punkte davongezogen, und die dürren Erklärungen des Borussen-Trainers passten sich der Darbietung seiner Profis an: Hamburg sei halt „individuell die bessere Mannschaft“ gewesen, während seine Spieler „den Ball nicht richtig bei uns behalten konnten“ und, tja, „immer zu spät“ gekommen seien.

Rein rechnerisch nähert sich die Erfolgsquote von Advocaat (vier Punkte in vier Spielen) zunehmend der seines Vorgängers Holger Fach (neun aus zehn) an. Und von neu gewonnener Spielkultur ist nach einem knappen Monat mit dem kleinen Holländer am Niederrhein noch nichts zu sehen, noch nicht einmal etwas zu spüren. Wobei der 57-Jährige aber ohnehin lieber auf die heilende Wirkung frischer Kräfte setzt. Ob es nicht auch reizvoll sei, aus dem vorhandenen Personal ansprechenden Sport herauszukitzeln, wurde der Ex-Bondscoach gerade gefragt. „Schon“, murmelte der daraufhin. Aber: „Ich bevorzuge etwas anderes.“

Dazu passt, dass seine Spieler nach der komplett berechtigten Niederlage gegen die Norddeutschen wie ihm Chor die eigene Unsicherheit bei der Berufsausübung beklagten. „Wir müssen die Situation nüchtern betrachten“, schlug Torwart Darius Kampa vor und befand dann: „Die Situation ist sehr ernst.“ Auch, weil zehn Hamburger nach dem Platzverweis für HSV-Verteidiger Khalid Boulahrouz in der 55. Minute – beim Spielstand von 1:2 – besser waren als elf Borussen.

Dabei hatte die Mannschaft von Thomas Doll ihre stärkste Phase da längst hinter sich. Denn gut war das robuste und körperlich wie spielerisch gewandte Ensemble aus dem Norden vor allem vor der Pause. Und exzellent in den ersten zwanzig Minuten. „Unglaublich gut“ fand Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer die Startphase des HSV, und es grenzte an ein Wunder, dass die ersten Tore durch Sergej Barbarez (40.) und Stefan Beinlich (44.) erst kurz vor der Pause fielen. Das erste als Folge eines Freistoßes, das zweite direkt aus einem Freistoß.

Ansonsten herrscht volle Beherrschung in der Hansestadt. „Der Trainer sagt, wir sollen jetzt keine Sprüche machen“, verrät Jarolim. Und natürlich hält sich auch der Auftraggeber daran. Immerhin: Als „ganz, ganz große Klasse“ lobte Doll Hamburgs Spiel in Unterzahl, darüber hinaus aber gilt: Mund halten und weiter gewinnen. „Wir wissen, wie es vor ein paar Wochen bei uns ausgesehen hat“, sagt der Trainer. Aber diese plötzliche Nähe zu den Uefa-Cup-Plätzen, Herr Doll? „Fragen Sie mich“, richtet der den Blick pro forma noch ein wenig Richtung Tabellenende, „nach der Winterpause noch einmal nach neuen Zielen.“ Wahrscheinlich dürften dies dann andere sein als bei der Borussia aus Mönchengladbach.

ANDREAS MORBACH