: Gen-Essen für die Agrarminister
Der europäische Lebensmittelausschuss hat den Import von Genmais abgelehnt. Das Moratorium gegen gentechnisch veränderte Produkte bleibt erhalten. Doch könnten sich EU-Minister oder Kommission schon bald darüber hinwegsetzen
AUS BRÜSSEL KARL DOELEKE
Genmanipulierte Lebensmittel dürfen bis auf weiteres nicht in die Europäische Union eingeführt werden. Der zuständige Expertenausschuss brachte gestern die notwendige Zweidrittelmehrheit nicht zustande. Das Votum wurde in Brüssel als harsche Ablehnung von Gen-Nahrungsmitteln gewertet. Der ökologisch viel problematischere Anbau von Genprodukten war nicht Gegenstand der Entscheidung.
Die Kommission bedauerte das Votum der Vertreter aus den Mitgliedstaaten. Eine Sprecherin erklärte, die EU-Landwirtschaftsminister müssten nun innerhalb von drei Monaten über die Zulassung der vom Schweizer Konzern Syngenta vertriebenen Maissorte Bt-11 entscheiden. Der Mais ist schädlingsresistent und stellt sein eigenes Pflanzenschutzmittel her. Syngenta möchte das Gemüse als Nahrungsmittel in Dosen in die EU importieren. Wie schon im November, als die EU das erste Mal seit 1998 über den Import des gentechnisch veränderten Lebensmittels zu befinden hatte, stimmten nur Spanien, Irland, Großbritannien, die Niederlande, Schweden und Finnland dafür, den Import zu gestatten. Deutschland, Belgien und Italien enthielten sich, die übrigen sechs Länder waren dagegen.
Den Antrag bekommen die Agrarminister nun im Januar auf den Tisch. Ob es im Rat zu einer Entscheidung kommen wird, ist noch nicht abzusehen. Die Stimmen sind ungefähr zu jeweils einem Drittel auf Befürworter, Gegner und Enthaltungen verteilt. Wahrscheinlich ist daher, dass die Fachminister binnen drei Monaten ebenfalls keinen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit für oder gegen die Importerlaubnis zustande bringen werden. Dann hat die Kommission hat das letzte Wort.
Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen und die Grünen im Europäischen Parlament begrüßten die Entscheidung. Die Grünen-Abgeordnete Hiltrud Beyer sprach von einem „Etappensieg für den Verbraucherschutz“ und verwies darauf, dass wirksame Regeln für das Nebeneinander von Genpflanzen und herkömmlichen Kulturen fehlten. Geert Ritsema von Friends of the Earth sagte: „Offensichtlich gibt es keinen Konsens über die Sicherheit von genetisch veränderten Lebensmitteln. Die Kommission muss die Sicherheit der Europäischen Bürger vor die Interessen der US-Regierung und der Biotech-Industrie stellen.“
Es ist aber zu erwarten, dass die Kommission die Importerlaubnis erteilen wird. Hintergrund ist eine Klage der USA bei der Welthandelsorganisation wegen des mittlerweile fünfjährigen Importverbots. Die WTO verlangt wissenschaftliche Beweise, dass Genprodukte schädlich für den Verbraucher sind. Kann Brüssel diese nicht erbringen, drohen den europäischen Exporteuren Strafzölle in dreistelliger Millionenhöhe. Voraussichtlich wird die Kommission den Zulassungsstopp kippen, bevor das Verfahren bei der WTO gegen Ende 2004 abgeschlossen ist.
Syngenta sollte die Importerlaubnis noch auf Grundlage der 1997 in Kraft getretenen Novel-Food-Verordnung erhalten. Das sorgte für Kritik, weil die EU im November eine neue Verordnung für Nahrungs- und Lebensmittelsicherheit verabschiedet hat, die strengere Zulassungs- und bessere Kontrollmechanismen vorsieht. Sollte es nun darauf hinauslaufen, dass auch im Ministerrat keine Einigung zustande kommt, wird die Kommission den Antrag tatsächlich erst genehmigen können, wenn die neue Verordnung im April in Kraft getreten ist. Danach müssen Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, als solche ausgewiesen und rückverfolgbar sein.
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