Arm und Jung wird ärmer. Reich und Alt wird reicher

Armutsbericht der Bundesregierung zeigt: 10 Prozent der deutschen Haushalte horten 47 Prozent des Vermögens. Mangel besonders bei Familien wächst. Junge Menschen häufen Schuldenberge an. Rentner kommen dagegen aus der Armutszone. Bericht mahnt „Generationengerechtigkeit“ an

BERLIN taz ■ Die Armen werden ärmer, die Reichen aber sonnen sich in wachsendem Wohlstand. Auch nach sechs Jahren Rot-Grün bündelt sich Deutschlands Reichtum in den Händen weniger Privilegierter. Dies ergibt der jüngste Bericht der Bundesregierung über „Lebenslagen in Deutschland“, aus dem der Spiegel heute vorab einige Details veröffentlicht.

Der kurz „Armutsbericht“ genannte Report bündelt Zahlen und Daten zur materiellen Lage der Nation. Laut Spiegel zeichnet er ein erschreckendes Bild: Wäre das Geld auf deutschen Konten gerecht verteilt, so besäße jeder Haushalt 133.000 Euro. De facto aber horten zehn Prozent der Haushalte 47 Prozent des Vermögens. Das sind zwei Prozent mehr als noch vor sechs Jahren. Über Zins und Zinseszinseffekte wächst das Vermögen derer, die ohnehin schon viel besitzen.

Auf der anderen Seite der Einkommensskala steigt die Not: Waren 1998 noch 12,1 Prozent der Haushalte arm, so sind es jetzt 13,5 Prozent – zumindest, wenn man der EU-Definition folgt, die besagt: Arm ist, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens aller vergleichbar großen Haushalte hat. Der Mangel erfasst besonders Familien – 1,1 Millionen der Kinder und Jugendlichen erhalten Sozialhilfe.

Der Bericht lenkt die Aufmerksamkeit auch auf ein weiteres wachsendes Problem: Mittlerweile sind 3,13 Millionen Haushalte überschuldet. Das sind 13 Prozent mehr als 1998. Dass gerade junge Menschen immer häufiger Schuldenberge anhäufen, belegt auch eine aktuelle Studie der Universität Oldenburg. Demnach hat bereits jeder zehnte junge Erwachsene in Ausbildung Schulden, die seine Existenz bedrohen.

Laut Bericht gibt es mehrere Faktoren, die die soziale Kluft im Land verstärken. Etwa die mangelnden Aufstiegschancen für Kinder aus sozial schwachen Familien. Oder die unzureichende Kinderbetreuung: In Westdeutschland finden nur 3 Prozent der Kinder Platz in einer Krippe. Viele Mütter leben von der Stütze, die bei einem üppigeren Kita-Angebot arbeiten gehen könnten. Armut wird allzu oft ein Dauerzustand, konstatiert der Bericht. Kaum einem Haushalt gelingt der Aufstieg aus der Unter- in die Mittelschicht. Jeder dritte arme Haushalt kämpft dauerhaft mit Geldnot.

Der Bericht zeigt aber auch, wer von Rot-Grün profitiert hat: Den 20 Millionen Senioren im Land geht es im Schnitt besser als noch 1998. Heute gelten 11,4 Prozent der Alten als arm, damals waren es noch 13,3 Prozent. Lediglich 1,3 Prozent der Menschen, die 65 Jahre oder älter sind, leben von Sozialhilfe – eine Folge der Grundsicherung für Senioren, die die Bundesregierung 2003 eingeführt hat. Der Bericht folgert daraus, dass aktuelle wie künftige Reformen die „Generationengerechtigkeit“ im Blick haben müssen: „Die Jüngeren dürfen nicht überfordert werden“.

Noch ist der Armutsbericht nicht öffentlich zugänglich. Gerade berate man, wann er vollständig und offiziell veröffentlicht wird, so ein Sprecher des Bundessozialministeriums. Erst dann lässt sich ermessen, ob der Report lediglich Fakten sammelt – oder auch Ideen, wie das Gefälle zwischen Arm und Reich wenigstens künftig zu glätten ist.

COSIMA SCHMITT