: Tonleiterexerzitien
Zwischen Schützenfesten und Feuerwehrball: Heinz Strunk las aus seinem Buch „Fleisch ist mein Gemüse“
Heinz fucking who!? – Das Wirken dieses Mannes, der wie der Zweite Vorsitzende eines norddeutschen Kegelvereins heißt und mit so legendärem „Hamburch“-Slang spricht wie mein alter Klassenkamerad Andre Laß, lässt sich wie bei allen brillanten Komödianten naturgemäß nur schwer in erklärende Worte fassen. Wer sein legendäres Video „Computerfreak“ aber irgendwann spätnachts auf Viva gesehen oder auf der Blumfeld-Single „Neuer Morgen“ den Strunk-Bonus-Track „Befreien (Unsere Mission)“ gehört hat, wird endlich Klarheit haben wollen.
Heinz Strunk, bürgerlich Mathias Halfpape, Jahrgang 62, aus Hamburg-Harburg fungierte nach Abitur und Musikstudium bereits als Musiker, Komponist, Schauspieler und Autor, hatte auf Viva die Show „Fleischmann“ und gilt darüber hinaus als „Advocatus der landesweit agierenden Gagkanzlei Studio Braun“ (FAZ). Aber das wichtigste: Heinz Strunk hat ein Buch geschrieben, „Fleisch ist mein Gemüse – eine Landjugend mit Musik“ (Rowohlt 2004, 8,90 €), und stellte das „hochmargige Lifestyle-Produkt“ (Strunk über Strunk) am Sonntagabend im Roten Salon bei einer Lesung vor.
Mit respektablen sechzig Minuten Verspätung betrat die finstere Erscheinung endlich die Bühne. Mit beachtlichem Selbstbewusstsein legt er sofort sein „Büßergewand“ an, jenes pinkfarbene Sakko, in dem er jahrelang als Saxofonist der Band Tiffanys die Schützenfeste, Feuerwehrbälle und Hochzeiten zwischen Elbe und Lüneburger Heide bespielte: „Bei den ersten Takten von An der Nordseeküste ging ein Ruck durchs Zelt. (…) Trotz der einfachen Melodie ein Festival der falschen Töne. Egal, die Schützen waren aus dem Häuschen und schnappten vor Begeisterung nach Luft. Ansage Gurki, die gute Stimmung nutzend: ‚Jaaaaaaa, liebe Freunde, und jetzt dem neuen Schützenkönig ein dreifaches Gut ‘ – ‚Schuss!‘, dröhnte es lautstark zurück. (…) Ich murmelte natürlich ‚Sieg Heil‘ vor mich hin.“
Zwischendurch glänzt Strunz mit live eingesungenen Vokaleinlagen aus dem schier unermesslichen Repertoire der Tiffanys wie „Sommernacht in Rom“ (G. G. Anderson). Oder er lässt das längst Tränen lachende Publikum auf dem eigens mitgebrachten Saxofon an den Tonleiterexerzitien teilhaben, die er einst als Musikschullehrer seinen 8-jährigen Eleven verabreichte: ein Konzept, das an diesem Abend voll aufgeht. Nach zwei Stunden ist Schluss. Das Publikum erschöpft und: begeistert! ANDREAS MERKEL