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Archiv-Artikel

Ein Telefonat vor Gericht

Al-Qaida-Prozess: Verfassungsschutzpräsident wertet abgehörtes Telefonat als schwere Belastung, Verteidigung wirft ihm Verfälschung vor. Imam soll Kindertötung als gottgefällig bezeichnet haben

VON MAREKE ADEN

„Entlastend“, sagt Margarete von Galen. „Von wegen Entlastung, eine sehr schwere Belastung“, sagt Heinz Fromm. Es ist recht offensichtlich: Die Verteidigerin von Ihsan G. im Berliner Terroristenprozess und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz haben unterschiedliche Meinungen. Es geht darum, wie ein abgehörtes Telefonat zu bewerten ist, das ein Mann geführt hatte in der Nacht, bevor er von der Polizei zu Ihsan G. vernommen wurde.

Der Angeklagte Ihsan G. soll für al-Qaida Anschläge auf jüdische und amerikanische Einrichtungen in Deutschland geplant und Mittäter dafür gesucht haben. Der Abgehörte, ebenfalls verdächtig, al-Qaida nahe zu stehen, hatte einen islamischen Geistlichen gefragt, was er machen soll, wenn die Polizei ihn nach einem Treffen mit Ihsan G. und anderen fragt. Ob er einen Glaubensbruder hängen lassen dürfe, so gab Fromm das Gespräch gestern wieder.

Bei jenem Treffen sei es um ein „abscheuliches Verbrechen“ gegangen, „das die Ungläubigen, die Muslime und den Islam beschädigen würde“, erzählt die Bundesanwältin Silke Ritzert nach, was auf den Abhörbändern zu hören ist. „Und die Verteidigung will uns immer noch weismachen, der Angeklagte hätte just for fun erzählt, was er als toller Hecht alles machen könnte“, sagt sie entrüstet.

Auch Verteidigerin von Galen erzählt nach, was die Polizei mitgeschnitten hat: „Er hat nur davon gesprochen, dass er eine Person belasten könnte.“ Ob dies Ihsan G. ist, sei nicht klar. Zudem gehe aus dem Telefonat eindeutig hervor, dass dem Mann erst später klar geworden sei, dass es bei dem Treffen um ein Verbrechen gegangen sei. „Da hatte die Polizei ihn schon einmal verhört und ihn nach dem geplanten Verbrechen gefragt. Auch in der Presse war schon zu lesen gewesen, dass wir alle knapp einem Anschlag entgangen sind.“ Der Verfassungsschutzpräsident habe „sich nur den groben Inhalt des Telefongesprächs übersetzten lassen“, sagt von Galen. Seine Zusammenfassung im so genannten Behördenzeugnis sei auf dieser Grundlage aber falsch gewesen. Sie decke sich nicht mit den Mitschnitten der Polizei. „Wir sind froh, dass wir die Vernehmung von Herrn Fromm beantragt haben, weil wir so eine Verfälschung enttarnt haben.“

Fromm aber hält das Telefonat, die Aussagen der Verbindungsleute bei der Polizei und die sonstigen Indizien für eine ausreichende Beweislage, zumindest in der Zusammenschau. „Ihsan G. hatte ja auch einen typischen Vorlauf. Das reicht doch, was denn noch?“, ruft Fromm.

Kaum ist er weg, geht der Prozess mit einer Ungewissheit weiter. Der vorsitzende Richter verliest den Vermerk eines V-Mann-Führers. Danach soll der Imam Salem El Rafei in der Neuköllner Al-Nur-Moschee gepredigt haben, es sei „gottgefällig“ die Kinder von Ungläubigen zu töten, gleich in welchem Alter sie seien. Im Sommer hatte El Rafei im Prozess gegen Ihsan G. islamistische Anschläge verurteilt und gesagt, der Islam sei keine terroristische Religion.