: Die rosaroten Prognosen bei der Bahn
Bahn erwartet 2004 Gewinne. Regierung gibt weniger Geld. Dafür müssen Bahnkunden tiefer in die Tasche greifen
BERLIN taz ■ Die Deutsche Bahn kommt immer noch nicht gut an: Die Kunden verschmähen sie nach wie vor. Intercity und Intercityexpress fahren im Fernverkehr nicht die geplanten Gewinne ein. Und der Staat streicht die Zuschüsse zusammen. Dem Aufsichtsrat teilte Bahnchef Hartmut Mehdorn gestern mit, der Konzern erwarte für das Jahr 2003 einen Betriebsverlust von 200 Millionen Euro. Das sind aber immerhin 254 Millionen weniger als noch im letzten Jahr. Für Mehdorn ist die „Wende“ da.
Deshalb hält er auch nach wie vor an dem Bahn-Börsengang im Jahre 2005 fest. Den halten viele für verfrüht. Anfang Januar werden sich nun Verkehrsminister Manfred Stolpe, Finanzminister Hans Eichel, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Bundeskanzler Gerhard Schröder (alle SPD) mit dem Börsengang beschäftigen.
Noch hat sich die Bahn von dem Debakel um die mittlerweile wieder revidierte Preisreform nicht erholt. Die Fahrgäste sind ohnhin vergrätzt, weil viele Züge weiterhin zu spät kommen. Das liegt zum einen an zu eng vertakteten Fahrplänen. Zum anderen an technischen Problemen. Zum Beispiel fällt der von Siemens gebaute ICE 3 aus technischen Gründen immer wieder aus. So brach der Umsatz im Fernverkehr im ersten Halbjahr 2003 gleich um 13 Prozent ein. Im Nahverkehr sind die Kunden nicht weniger unzufrieden, die Zahlen sehen dennoch etwas besser aus. Für neue Züge und Schienen war in diesem Jahr weniger Geld als geplant da: Die Bahn musste ihre Investitionen von 10 Milliarden Euro auf 8,5 Milliarden Euro drosseln. Mehdorn versprach gestern, vor allem die Zahlen im Fernverkehr würden sich schon im nächsten Jahr verbessern. 2004 sollen sie ein Umsatzplus von zehn Prozent, 2008 sogar von dreißig einfahren.
Woher er diesen Optimimus nimmt, ist unklar. Die rot-grüne Koalition zumindest wird die finanziellen Mittel von mehr als 4 Milliarden Euro für die Bahn kürzen. Zu angespannt ist die eigene Haushaltslage. Allein wegen des Maut-Debakels drohen Einschnitte für das Schienennetz in Höhe von knapp 400 Millionen Euro. Erst mal vom Tisch sind dafür die von den Ministerpräsidenten aus Hessen und NRW, Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD), vorgeschlagene Kürzung der Regionalisierungsmittel um 12 Prozent. So zahlt der Bund den Ländern wohl weiterhin rund 6,8 Milliarden Euro pro Jahr für den Schienennahverkehr. Ob sie allerdings, wie letztes Jahr von Bund und Ländern beschlossen, bis 2007 tatsächlich um 1,5 Prozent pro Jahr aufgestockt werden, ist offen.
Dafür müssen die vier Millionen Pendler ab Sonntag tiefer in die Tasche greifen. Denn mit dem dann gültigen neuen Fahrplan steigen die Preise im Nahverkehr um 4,1 Prozent. Das läge an den höheren Energiepreisen und gestiegenen Personalkosten, argumentiert Hartmut Mehdorn. Dafür gebe es im Fernverkehr aber keine Preiserhöhungen.
So ganz richtig ist das allerdings nicht. Viele ICs werden durch ICEs ersetzt. „Aufwertung“ nennt das die Bahn. Die Züge sind aber nicht schneller am Ziel, sondern nur teurer. Wer von Mannheim nach Mainz fahren will, zahlte bisher mit dem IC 14,80 Euro und fährt 40 Minuten. Das kostet schon nächste Woche 23 Euro und dauert 60 Minuten – Umsteigen inklusive.
HANNA GERSMANN