gottschalk sagt
: Aktion „Scheiße, die Bullen!“

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Die Kölner Polizei hat eine Vision. Bis 2010 soll Köln die sicherste Millionenstadt in Deutschland werden. Deshalb veranstaltet die Polizei bis zum 19. März nächsten Jahres die „Aktion Wintercheck“. Durch diverse aufwändige Polizeieinsätze sollen die Kriminalität und die Unfallzahlen gesenkt werden, die Aufklärungsquote aber in die Höhe schnellen. Vor allem aber will man das Sicherheitsgefühl der Bürger erhöhen. Dabei verfolgt die Polizei offenbar die Strategie, sich die richtigen Verbrecher für den März aufzuheben. Die Bilanz des ersten Wintercheck-Großeinsatzes am Freitag: 338 Schwarzfahrer und einen Schulschwänzer erwischt. Ich fühle mich schon viel sicherer.

Na gut, es gab auch 55 Festnahmen. Wegen Diebstahlsdelikten, illegalen Aufenthalts oder Drogenbesitzes. 1.300 „Verdächtige“ wurden überprüft, 55 Leute festgenommen, von denen die meisten niemandem geschadet haben (bei den Dieben weiß man es ja nicht so genau). 1.245 Leute wurden also völlig ungerechtfertigt verdächtigt. Abends fing die Polizei, nachdem sie eine Spielhalle umstellt hatte, immerhin noch einen Räuber. Kriminalistisch gesehen war er der Tunfisch unter den Delfinen, die der Polizei an dem Tag ins Netz gingen oder – um im Bild zu bleiben – der kleine Fisch unter den großen Haien, die nicht ins Netz gingen.

Ob Köln durch diese Maßnahmen für irgend jemanden sicherer wird, mag ich nicht beurteilen. Doch für viele wird es unsicherer: Ausländer ohne gültige Papiere können sich überhaupt nicht mehr vor die Türe trauen. Asylbewerber, die ihren öden Landkreis verlassen, um in Köln Freunde zu treffen und damit gegen die „Residenzpflicht“ verstoßen, müssen noch mehr Angst haben als sonst, bei ihrem Ausflug geschnappt zu werden. Doch auch für andere ist es blöd. In manchem knappen Budget sind Fahrscheine einfach nicht vorgesehen, weil das Geld ohnehin nie reicht. Ich will ja keine Namen nennen.

Das Vorgehen der Polizei ist eigentlich: Kleinkriminellen auf die Nerven gehen. Durch Kontrollen und „Gefährderansprachen“. Mit Ingewahrsamnahmen und Platzverweisen. Eigentlich könnte die Aktion auch „Scheiße, die Bullen!“ heißen.

Auf ihrer Internetseite versucht die Polizei uns Bürgern die Strategie zu ihrer „Vision 2010“ anhand einer Grafik zu erklären. „Strategie“ steht da links und dann steht in der Mitte „Polizeipräsident“ und drumrum „Oberbürgermeister“, „leitender Oberstaatsanwalt“, „BGS“ und „Präsident Amtsgericht“. Und alle sind mit Linien verbunden. Über dem Ganzen steht „Netzwerk“. Kapiert? Ich auch nicht, nur so viel: Der Polizeipräsident steht im Mittelpunkt und die Grafiker der Polizei sind schlecht. In ganzer Schönheit ist das zu überprüfen unter: www.polizei.nrw.de/koeln/aktuell/wintercheck/wintercheck.php