: Albernheit schlägt Ironie
Was nach der „Schokolade zum Frühstück“ kommt: Renée Zellwegers Wangen glühen rot wie eh und je; doch dem Sequel „Bridget Jones – Am Rande des Wahnsinns“ geht irgendwann die Puste aus
von PHILIPP BÜHLER
Bridget Jones: Schande ihres Geschlechts oder postfeministische Ikone? Übergewichtige Heulsuse oder sexy Single? Ihr Tagebuch: Clevere Selbstinspektion oder Cosmo-Geplapper? Das waren die Fragen, die sich nach dem Welterfolg von „Bridget Jones’ Diary“ überhaupt nicht stellten. Denn welche Probleme hat die Frau, wenn sich solche Männer um sie prügeln? In der einen Ecke Mark Darcy (Colin Firth), der etwas langweilige, aber doch vor allem souveräne Menschenrechtsanwalt und unbestrittene Mister Right. In der anderen Daniel Cleaver (Hugh Grant), als humorvoller Aufreißer der perfekte Mann für eine Nacht und um Himmels willen nicht mehr. Das war Trost für Millionen, und so scherte es auch niemanden, dass sich hinter dem glühwangigen Pummelchen keine wirkliche Frau mit echten Problemen verbarg, sondern Hollywood-Star Renée Zellweger. Zumal ihr Charakter in seiner wunderbaren Geschlossenheit allemal realer war als das Frauenideal, dem Bridget Jones selbst in aller Inbrunst nachhing.
Mit „Bridget Jones: The Edge of Reason“ wird das Tagebuch neu aufgeschlagen, und allein der Titel ist schon wieder zum Verlieben. Helen Fieldings Bestsellervorlagen bersten vor Anspielungen auf die Bekenntnisliteratur der Aufklärung, auf Jane Austen, in diesem Fall kommt noch ein bisschen Sartre hinzu; aber der britische Sarkasmus, mit dem all das in die Pfanne gehauen wird, ist der eigentliche Gag. Weiß man doch, dass Bridget die „Schwelle der Vernunft“ konsequent in die falsche Richtung nehmen wird: ins Bett von Daniel Cleaver. Die verlässlich mitgelieferte Ironie ist es auch, die einen die ersten Minuten des Sequels mühelos überstehen lässt. Denn für sich genommen, ist dessen Ausgangssituation unerträglich: Bridget ist noch immer glücklich.
Seit ihr unbegreiflichen sechs Wochen erwacht die Botschafterin der Einsamkeit neben ihrem Traummann Mark Darcy. Sie zählt nicht mehr Kalorien- und Zigarettenkonsum, sondern die körperlichen Zusammenkünfte, 71 an der Zahl. Dass sie „ekstatisch“ ausfielen, wollen wir ihr einfach mal glauben. Zu nah scheint das Unheil, wenn sie sich schon als künftige „Verlobte, Ehefrau, Mutter!“ bejubelt. Außerdem sind da noch die alten Gags in ihrer sequeltypischen Wiederholung, die über erstes Ermüden hinweghelfen. Darcy trägt noch immer Mutters monströse Strickpullover. Bridgets Hintern wird erneut landesweit im Fernsehen versendet. Und zum Glück kommt es bald zum ersten Krach. Sehr ulkig, wie Bridget den duldsamen Mark vor der Sprechanlage ausharren lässt, um in der Zwischenzeit seinen Anrufbeantworter vollzujammern.
Doch allmählich schleicht sich Unbehagen ein. Die aus dem ersten Teil bekannten Peinlichkeiten werden nicht nur fortgesetzt, sondern noch getoppt. Wie Bridget als unbedarftes Skihaserl aus dem Lift fällt oder als Wurstpelle im viel zu engen gelben Kostüm zum Galadinner stakst: Das erscheint schon nicht mehr als Peinlichkeit, sondern als Selbstdemütigung. Rein äußerlich hat Zellweger diesmal wohl mehr zugenommen als die lumpigen zehn Kilo vom letzten Mal. Eine schlechtere Figur macht sie jedoch vor allem durch ihre unsinnigen Eifersuchtsattacken und haltlosen Liebesbeteuerungen. In ihrer nur noch albernen Unsicherheit ist sie nicht mehr das Opfer einer bösen Männerwelt, sondern schlicht selbst schuld. Irgendwann fragt man sich das Unmögliche: Was findet Mark eigentlich an ihr? Das im ersten Teil mühsam zusammengezimmerte weibliche Selbstbewusstsein war eben doch ein verdammt fragiles Konstrukt.
Wer sich für so was nicht die Bohne interessiert, wird von einer anderen Sorge getrieben: Wo bleibt Hugh Grant? Für Daniel Cleaver ist in Bridgets Universum kein Platz mehr. Er ist nur noch medial präsent, als „Kulturkorrespondent“ des Fernsehsenders, für den sie nach wie vor als Maskottchen arbeitet – halsbrecherische Fallschirmstunts inklusive. Von exotischen Schauplätzen aus platzt er immer wieder mal in Bridgets perfekte Welt, preist mit unnachahmlicher Ignoranz die Sixtinische Kapelle als „durchgeknalltes schwules Innendesign“. Der hübsche Bastard ist die blasse Erinnerung an alles, was im ersten Teil richtig lustig war. Aktuell wird er erst, als die perfekte Welt zerbricht. Allerdings endet ihr viel zu kurzer Flirt, wenn auch gewiss ohne sein Verschulden, nicht im Bett, sondern in einem thailändischen Frauenknast. In dieser Episode – in einer Aneinanderreihung von Episoden – haben das Team von Working Title und Regisseur Beeban Kidron tatsächlich den Verstand verloren. Wer wie Bridget das Schicksal zwangsprostituierter Thailänderinnen benötigt, um herauszufinden, dass ein Mann wie Mark nicht der schlechteste ist, dem ist kaum mehr zu helfen. Außer natürlich von Mark selbst.
Es ist Daniel, der in dieser erwartbar schwächeren Fortsetzung die entscheidende Frage stellt: „Unter welchen Umständen würdest du mir je wieder vertrauen?“ Vertrauen wir Bridget Jones? Wollen wir Teil drei, in dem es ans Heiraten geht? Wir würden uns zumindest nicht darum prügeln.