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Archiv-Artikel

GEGEN ABBAS WIRD BARGHUTI NICHT PALÄSTINENSERPRÄSIDENT WERDEN Begrenzte Verhandlungsfähigkeit

Er hat eben doch nicht das Zeug zu einem Nelson Mandela. Mit seiner hastigen Kandidatur in buchstäblich letzter Minute enthüllte Marwan Barghuti ein legitimes, wenngleich für einen Politiker wenig ehrenvolles höchstes Anliegen, nämlich das eigene Wohl – in diesem Fall: die Entlassung aus dem Gefängnis. Ob ihm die mögliche Wahl zum Palästinenserpräsidenten tatsächlich den Weg in die Freiheit ebnet, bleibt jedoch fraglich. Fest steht, dass sie seine letzte Hoffnung ist. Denn Mahmud Abbas ist Barghutis Wunsch, sich bei den Israelis für ihn einzusetzen, bislang nicht nachgekommen.

Überzeugend war Barghuti dagegen mit seiner Forderung nach parteiinternen Wahlen gewesen, die er im Handel gegen einen Verzicht auf seine Kandidatur Ende vergangener Woche durchgesetzt hatte. Nach fast 15 Jahren, in denen immer die gleichen Gesichter die Geschäfte abwickeln, ist es ihm nun zu verdanken, dass konkrete Termine stehen für eine Generalversammlung der Fatah sowie für Wahlen: ein schöner Erfolg für den Führer des Nachwuchses und damit derer, die während der ersten Intifada ihren Kopf hinhielten, während die PLO-Führung im Exil saß. Demokratische Strukturen in der größten Regierungspartei können den Demokratisierungsprozess in den palästinensischen Gebieten nur anspornen.

Barghuti, in der Vergangenheit gleich hinter Jassir Arafat die Nummer zwei auf der Popularitätsskala palästinensischer Politiker, wird im Wettkampf mit Abu Masen vermutlich den Kürzeren ziehen. Alles andere wäre fatal. Israels Premier Ariel Scharon hat bereits einen Termin bei Abu Masen, gleich nach den Wahlen. Mit einem inhaftierten Palästinenserpräsidenten würde Scharon indes nicht zusammenkommen.

Ein Wahlsieg Barghutis könnte eben beginnende Entwicklungen stoppen und neue Chancen wieder verbauen. Möglich, dass Israel zurückfiele in die Ära vor Arafats Tod, in der Jerusalem „keinen Partner“ für den Frieden zu haben glaubte. Gerade mit Blick auf den für kommendes Jahr geplanten israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen sind Verhandlungen indes entscheidend. SUSANNE KNAUL