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Zwischen Schulbank und Chefsessel

Hamburger Gymnasiasten spielen Wirtschaft und gründen Mini-Unternehmen – eine PR-Agentur für öffentliche Einrichtungen und Vereine: „Unser Ziel ist es, aus wenig Geld möglichst viel Geld zu machen“

Es ist still auf dem Schulgelände des Poppenbüttler Gymnasiums Oberalster. Nur der Hausmeister schlendert über den Hof und weist den Weg in den Konferenzsaal. Die dort angekündigte Presseveranstaltung verzögert sich allerdings, es ist noch Unterricht. Daran haben die Jung-UnternehmerInnen nicht gedacht, als sie zum Gespräch einluden. Auch nicht daran, dass ihr Vorstandsvorsitzender erst noch eine Klassenarbeit schreiben muss, bevor er die Presserunde moderieren kann.

Valentin Jeutner ist einer von 13 SchülerInnen, die ein außergewöhnliches Projekt ausprobieren. Für ein Jahr haben die 14- bis 16-Jährigen das Mini-Unternehmen „PR-estige“ ins Leben gerufen, eine PR-Agentur für öffentliche Einrichtungen und Vereine. Sie verkauften Aktien an Eltern und Bekannte im Wert von je 10 Euro und sammelten so ihr Startkapital zusammen. Zwei Monate nach der Unternehmensgründung steckt die Marketingabteilung jetzt mitten in der Akquise. Einen Auftrag haben sie schon: für ein neues Eine-Welt-Café.

„PR-estige“ gehört zu den 15 Hamburger Schulprojekten, die vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) unterstützt werden. Mit dem Ziel, junge Menschen schon frühzeitig auf die Anforderungen in wirtschaflichen Betrieben vorzubereiten, bietet das IW Köln seit 1994 jährlich das Programm „Junior“ an. Ab der 9. Klasse können SchülerInnen aller allgemein- und berufsbildenden Schulen für die Dauer eines Schuljahres zu UnternehmerInnen werden. Sie müssen sich nur beim IW Köln anmelden. Vor den Sommerferien wird die Firma dann ordnungsgemäß wieder aufgelöst. Am Ende locken Preisgelder und Teilnahmezertifikat.

Auch der stolze Schulleiter Volker Stockkamp beteiligt sich an der Konferenz. Es sei schließlich wichtig, die Kinder so früh wie möglich auf die berufliche Realität vorzubereiten. Monika Scheuermann, die verantwortliche Lehrerin, spricht von pädagogisch wertvollen Erfahrungen, wie Team- und Kommunikationsfähigkeit.

Die jungen Manager sitzen brav im Halbkreis. Dem Vorsitzenden Valentin unterstehen acht Mitarbeiter sowie drei Abteilungsleiter und eine Abteilungsleiterin. Zwölf Jungen und ein Mädchen also. Das ist schon mal recht wirtschaftsnah. Auch die Bezahlung entspricht den realen Verhältnissen – relativ gesehen. Der Vorstand erhält 10 Cent mehr die Stunde. Und das bei gleich verteilten Aufgaben.

Über alternative Modelle der Unternehmensführung wurde in diesem zwanglosen Rahmen allerdings nicht reflektiert. „Dazu fehlte bisher die Zeit“, weist der Vorsitzende diese kritische Überlegung zurück. „Unser Ziel ist es, aus wenig Geld möglichst viel Geld zu machen.“ Sandra Gärtner

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