Schlamassel im Gesundheitsressort

Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) hat ihre Hand stets schützend über den Sozialpsychiatrischen Dienst gehalten. Nach vielen öffentlichen Angriffen kündigte sie schließlich ein Gutachten an – doch das bringt schon im Vorfeld nichts als neuen Ärger

Die Sache so gründlich schief, dass der vorgesehene Gutachter verschnupft abreiste

Bremen taz ■ Eigentlich hätte das Gesundheitsressort vergangene Woche nach langer öffentlicher Debatte um Mängel im Sozialpsychiatrischen Dienst eine erste Erfolgsmeldung verkünden wollen. „Begutachtung des Sozialpsychiatrischen Dienstes kann beginnen. Experten sagten zu“ – so hätte die Pressemitteilung titeln können. Doch dann ging die Sache so gründlich schief, dass der vom Ressort vorgesehene Gutachter verschnupft abreiste – und darüber Stillschweigen vereinbart wurde.

„Es geht hier um ein sehr sensibles Thema, das viele Menschen tief berührt – bis hin zum Tod“, begründet dies die CDU-Gesundheitspolitikerin Rita Mohr-Lüllmann. Sie wolle sich an die Schweige-Verabredung halten, „im Interesse der Sache“ – auch wenn sie, und das ist ungewöhnlich unter PolitikerInnen, das vom Koalitionspartner SPD geführte Gesundheitsressorts damit schütze. Denn dort hatte die schlecht vorbereitete Anhörung des behördlichen Wunschgutachters offenbar Züge eines Verhörs angenommen – ohne dass Staatsrat oder zuständiger Referent dem von dieser Entwicklung überrumpelten Experten ihrer Wahl, dem anerkannten Sachverständigen und ehemaligen Chefarzt der Psychiatrischen Anstalten Bethel, Nils Pörksen, beisprangen.

„Die Ausschreibung der Begutachtung des Sozialpsychiatrischen Dienstes soll möglichst noch vor Weihnachten auf den Weg gebracht werden“, sagt zu alldem nachträglich die Sprecherin des Gesundheitsressorts, Heidrun Ide. Der ursprünglich vorgesehene Gutachter kenne sehr viele Personen in Bremen und seine Wahl wäre wohl leicht angreifbar, wiegelt sie ab. Von einem „Eklat“ sei ihr nichts bekannt. Sie war wohl auch nicht dabei, als nach dem Gespräch am Freitag vor einer Woche die CDU-Abgeordnete Mohr-Lüllmann den Staatsrat Arnold Knigge entgeistert fragte, ob er erst ihren Puls fühlen oder gleich Einschätzungen hören wolle. Den dürfte diese Reaktion nicht überrascht haben.

Bekannt ist, dass die CDU-Politikerin aus der freien Wirtschaft kommt – und von Qualitätskontrolle klare Vorstellungen hat. Vergleichbarkeit, Neutralität, Schnittstellenanalyse – alles, was zum internen Audit eben so gehört. Umso bemerkenswerter bleibt, dass weder sie noch der SPD-Abgeordnete Winfried Brumma vor der Anhörung einen Lebenslauf oder ein Exposé von Pörksen und dessen verhindertem Co-Gutachter erhielten. Denn es war zu erwarten, dass der 70-jährige Pörksen angreifbar sein würde. Den prominenten Protagonisten der deutschen Psychiatriereform nämlich verbindet Freundschaft mit Bremer Fachleuten. Im Vorfeld der Anhörung sollen deshalb Einwände gegen Pörksen laut geworden sein. Seine Expertise sei allzu leicht als Freundschaftsgutachten zu diskreditieren, hieß es. Das diene nicht der Sache – und auch nicht der Versachlichung einer Debatte, von der Experten fürchten, sie könne zu mehr Zwangsmaßnahmen gegen psychisch Kranke führen.

Aufgebrochen war die Debatte nämlich, nachdem eine psychisch kranke Frau 2003 ihre Nachbarin in der Neustadt erstach. Im selben Jahr brachte ein schizophrener Mann seine Mutter um und ein Afrikaner verübte Selbstmord, nachdem er zuvor erfolglos Hilfe beim Sozialpsychiatrischen Dienst gesucht hatte. In allen Fällen erhoben Freunde und Angehörige Vorwürfe gegen den Sozialpsychiatrischen Dienst. „Ich glaube, die Dunkelziffer ist hoch“, will die CDU-Politikern Moor-Lüllmann auf einer neutralen und sachlichen Untersuchung des Sozialpsychiatrischen Dienstes bestehen. SPD-Kollege Brumma stimmt zu – auch wenn er gegen Pörksen nichts gehabt hätte. „Der hat die richtigen Fragen gestellt.“ ede