: Berlin brummt gen Osten
Die EU-Erweiterung bringt die Berliner Wirtschaft auf Trab: Die Exporte Richtung Osten sind im ersten Halbjahr deutlich gestiegen. Senat und Wirtschaft fordern jetzt einen Ausbau der Straßen nach Polen
VON RICHARD ROTHER
Die EU-Osterweiterung hilft der Berliner Wirtschaft auf die Sprünge. So ist der Berliner Export in den Monaten vor und nach dem Beitrittstermin am 1. Mai 2004 deutlich gestiegen. In den ersten sechs Monaten des Jahres verstärkte sich der Export in die Beitrittsländer um knapp 23 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. Zwar stieg auch der Export in andere Regionen der Welt – Richtung Osten ging es aber überdurchschnittlich nach oben. Wichtigstes Berliner Exportgut sind pharmazeutische Produkte.
Der jetzt einsetzende steile Anstieg in der Statistik ist aber auch auf die relativ geringe Basis der Berliner Exporte gen Osten zurückzuführen. Dies bestätigt die letzte Jahresbilanz des Statistischen Landesamtes: Exportierten Berliner Unternehmen 2003 nach Frankreich Waren im Wert von 1,04 Milliarden Euro, so waren es ins Nachbarland Polen nur Waren im Wert von rund 307 Millionen Euro – ein Niveau, das in etwa den Exporten nach China oder in die Niederlande entspricht. Gründe für diesen deutlichen Unterschied sind die vergleichsweise wenigen Beziehungen, die die Westberliner Wirtschaft in der Vergangenheit Richtung Osten aufgebaut hatte. Zudem verschwanden mit dem Zusammenbruch der Ostberliner Betriebe viele Ost-West-Verbindungen.
Dennoch: dieser Prozess bei den Ost-Exporten soll sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Für die Beitrittsländer werden Wachstumsraten von drei bis acht Prozent erwartet – davon wollen auch Berliner Unternehmen profitieren. Dazu wollen Senat und Wirtschaft einen Verbund „Oderregion“ nach dem Vorbild westeuropäischer Euro-Regionen schaffen. Dies gebiete schon ein Blick auf die Landkarte, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) gestern. In einem Radius von 250 Kilometern um Berlin lägen mit Stettin, Posen und Breslau drei wichtige Wirtschaftszentren in Polen. In Deutschland sind es nur Dresden und Leipzig.
Um die grenzüberschreitenden Beziehungen zu erweitern, müssten die Verkehrsverbindungen verbessert werden, fordern Senat und Wirtschaftsverbände. So sollten die Bahnstrecken Berlin–Stettin und Berlin–Frankfurt (Oder) so ausgebaut werden, dass dort Geschwindigkeiten von 160 Stundenkilometern möglich werden. Auch die Strecke Richtung Breslau müsse zügig in Angriff genommen werden. Zudem sollten mehrere Autobahnen möglichst rasch fertig gestellt werden: die Strecke von Frankfurt (Oder) nach Warschau, von Forst nach Breslau/Krakau und von Dresden nach Prag.
Für den grenznahen Verkehr regen Senat und Wirtschaft den Bau mehrerer Straßen an. So sollte in Schwedt eine Ortsumgehung mit Grenzübergang entstehen und zwischen Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) eine neue Straße. Die Verkehrswege in Richtung Osten weisen „noch erhebliche Ausbaulücken auf“, heißt es. Dieser Rückstand müsse so schnell wie möglich aufgeholt werden. Umweltschützer dürften kaum überrascht, aber wenig begeistert sein.