: Der Henker und seine Richter
Drei Modelle kommen in Frage, um den Diktator seiner gerechten Strafe zuzuführen. Wie gerecht die wirklich ist, entscheiden am Ende die USA
VON BERND PICKERT
Einen Tag nach der Festnahme Saddam Husseins laufen die Diskussionen über das künftige Schicksal des gestürzten Diktators richtig an. Die Mitglieder des irakischen Regierungsrates bestehen auf einem Verfahren vor dem Tribunal, das der Rat vor knapp einer Woche eingesetzt hat. Das Tribunal soll Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit der Machtübernahme der Baath-Partei im Jahr 1968 aburteilen. Bei den Verfahren werden also insbesondere der Krieg gegen den Iran, die Besetzung Kuwaits und das Vorgehen des Regimes gegen Kurden, Schiiten, aber auch Oppositionelle überhaupt eine Rolle spielen. In Frage kommen dementsprechend Anklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, Mord, Folter und Vorbereitung mehrerer Angriffskriege. Nach den bisherigen Planungen wird das Tribunal mit fünf irakischen Richtern besetzt werden.
Wie alle Verfahren gegen gestürzte Diktatoren steht auch der bevorstehende Prozess gegen Saddam Hussein an der Schnittstelle zwischen Politik und Justiz, Rache und Rechtsstaatlichkeit. Im Falle des Irak kommt die schwierige Frage von Besatzermacht und irakischer Souveränität hinzu. Der Irak selbst verfügt derzeit weder über ein Rechtssystem, das in der Lage wäre, derart komplizierte Fragestellungen sachgerecht aufzuarbeiten, noch ist den erst rudimentär wieder entstehenden irakischen Militär- und Polizeikräften zuzutrauen, die Sicherheit eines solchen Verfahrens gewährleisten zu können. Da Saddam Hussein von US-Truppen festgenommen wurde und nur die USA wissen, wo er gefangen gehalten wird, werden auch sie schließlich darüber entscheiden, ob, wann und an wen er zur Eröffnung eines Prozesses übergeben wird.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch haben am Montag erneut eine internationale Beteiligung am Tribunal gefordert – bislang sieht das entsprechende irakische Statut lediglich vor, dass sich die Richter um den Rat ausländischer Experten bemühen können. Anders als bei den in letzter Zeit vom UN-Sicherheitsrat eingerichteten gemischten internationalen Tribunalen (siehe unten) sieht das irakische Statut keinerlei formelle Beteiligung internationaler Experten etwa als Richter, Ermittlungsrichter oder Ankläger vor.
Die USA haben ein eigenes Interesse daran, die Arbeit des Tribunals unter Kontrolle zu halten – immerhin dürften sie, wie allerdings etwa auch Frankreich, Russland und Deutschland, wenig Interesse haben, dass ihre eigene wirtschaftliche und militärische Verflechtung mit dem irakischen Regime vor 1990 ebenfalls zum Gegenstand von Gerichtsverhandlungen wird. Selbst wenn im Sicherheitsrat der Antrag auf Einrichtung eines Internationalen Iraktribunals gestellt würde, dürfte er insofern zumindest am Veto der USA scheitern. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Iran als bislang einzige Regierung die Einrichtung eines Internationalen Tribunals fordert – Teheran hofft, die Rolle der USA als Unterstützer Iraks im Krieg gegen den Iran 1980 bis 1988 thematisieren zu können.
Ein gänzlich extern geführtes Tribunal wie die Ad-hoc-Gerichtshöfe für Ruanda und Exjugoslawien ließe sich allerdings auch aus der Perspektive des internationalen Strafrechts schwer begründen: Auch das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs sieht den Vorrang der nationalen vor der internationalen Strafjustiz vor.
Völlig unklar ist bislang der derzeitige rechtliche Status Saddam Husseins. Zwar hatte Anfang Dezember bereits ein irakisches Gericht einen Haftbefehl gegen Saddam Hussein ausgestellt, der aber wurde aufgrund eines fehlenden Bescheids des neuen Justizministeriums noch nicht einmal wirksam. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte noch am Sonntag, Saddam Hussein werde wie ein Kriegsgefangener der USA nach den Regeln der Genfer Konvention behandelt – mochte aber nicht bestätigen, dass Hussein tatsächlich den Status eines Kriegsgefangenen hat. Verfahren wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit könnten in jedem Fall durchgeführt werden – gegebenenfalls müsste der Irak einen Auslieferungsantrag an die USA stellen, um Saddam Hussein im eigenen Land verurteilen zu können. Von so viel Souveränität allerdings ist der Irak derzeit noch weit entfernt.