piwik no script img

Archiv-Artikel

Ausgebaut

Im Jubiläumsjahr wird viel an die Geschichte des Bauhauses erinnert. Und die Gegenwart?

Das Schild „Bauhaus“ hängen sich in Weimar im Jubiläumsjahr so ziemlich alle um: Das Bestattungsinstitut Heimbürge stellt sich eine nachempfundene Bauhaus-Urne in die Vitrine. „Viele würden gerne in einer solchen Urne beigesetzt werden“, weiß Geschäftsführerin Sigrid Heimbürge. In fast jedem Schaufenster leuchten die geometrischen Grundformen Dreick, Quadrat und Kreis – Erkennungszeichen des Bauhaus-Designs. Und das Bistro Français bietet ein exquisites Bauhaus-Menü an: mit Oskar-Schlemmer-Teller und Paul-Klee-Salat.

Nur in Christine Klostermanns Ilmschlösschen, in dem einst tatsächlich die Bauhäusler feierten, kommen noch thüringische Rostbrätl ohne künst-l(er)i(s)chen Schnickschnack auf den Tisch. Die Besitzerin mag es nicht, hausieren zu gehen, und findet den Hype ums Bauhaus übertrieben. Ansonsten verfolgen einen die Bauhaus-Insignien überallhin: gelbes Dreieck, rotes Quadrat, blauer Kreis.

Auch zeitgenössische Künstler aus Weimar nutzen das Bauhaus-Jubiläum, um auf sich aufmerksam zu machen. Benedikt Braun spielt den Bauhaus-Clown und bindet sich die Bauhaus-Symbolik auf die Nase. Die Message des „ultrafreien Künstlers“, wie er sich selbst definiert, ist bewusst platt: „Die Bauhäusler waren sechs Jahre in Weimar. Bei mir ist es schon das achte Jahr! In dieser Hinsicht habe ich die großen Meister schon geschlagen!“ In seinem „Tempel des Lichts“ im „Deutschen Nationalkiosk“ hat Benedikt Braun sich seinen eigenen Fan-Shop erbaut. In den Farben Schwarz-Weiß-Rot gehalten, verweist er nicht nur mit seinem Nachnamen auf den braunen Sumpf, für den sich die Stadt Weimar 1925 entschied und damit gegen die Moderne und das Bauhaus. Derzeit aber, und besonders im Bauhausjahr, ist das Bauhaus bei Universität, Stadt und auch Klassik-Stiftung willkommen.

Der Unmut heutiger Künstler über den Umgang mit dem Bauhaus wird in einem weiteren Projekt deutlich. „Ich kann kein Bauhaus mehr sehen!“ steht auf dem Schild, das einem Mann mit Sonnenbrille, Blindenstock und Armbinde um den Hals hängt. Um den Arm trägt er eine Blindenbinde. Statt der drei Kreise auch hier Dreieck, Kreis und Quadrat. Der Mann mit Stock ist Olaf Weber, Professor der Fakultät Gestaltung im Bereich Ästhetik, seit fünf Jahren tatsächlich blind. Er hat für das Werk von Naomi Tereza Salmon und Lucian Patermann Modell gestanden. Die eingetütete Postkarte für 9,90 Euro mit Pin in einer auf 300 Stück limitierten Edition eignet sich das Werk von Timm Ulrichs an, das 1976 auf die gleiche Weise „Ich kann keine Kunst mehr sehen!“ proklamierte.

Schon vor seiner langsam einsetzenden Erblindung hat sich der an der Bauhaus-Universität lehrende Weber mit dem Staatlichen Bauhaus auseinandergesetzt. Seine Kritik gilt unter anderem dem Bauhaus-Kolloquium, das dieses Jahr wieder getagt hat. Ihm zufolge eine Bühne für Nachwuchswissenschaftler der ganzen Welt mit kleinteiligen Ergebnissen. „Heute fehlt einfach der große Wurf!“ Wie lebendig ist das Bauhaus heute noch? Was sagt es über unsere Gesellschaft aus? Was können wir in der Krise von ihm lernen? Das wären Fragen gewesen, die gestellt werden hätten sollen … „Weniger als die Vergangenheit sollte uns die Gegenwart und Zukunft interessieren.“ Jenseits von Vermarktungsinteressen des Bauhaus-Namens bleibe, so Weber, nicht viel übrig vom Bauhaus.

SOFIA SHABAFROUZ