: Acht Monate Haft wegen zu viel Bewegung
FLÜCHTLINGE Asylbewerber dürfen sich nicht frei bewegen. Weil er es doch tat, sitzt Felix Otto im Knast
BREMEN taz | 30. März, Autobahn A4, zwischen Erfurt und Jena. Die Polizei kontrolliert einen Pkw. Für den Beifahrer, den Kameruner Felix Otto, endet damit seine Reise in Richtung Frankfurt. Stattdessen sitzt er seither in einer Zelle der JVA Suhl-Goldlauter – und wird diese auch erst im November wieder verlassen.
„Herr Otto war zur Fahndung ausgeschrieben, weil er gegen das Asylverfahrensgesetz verstoßen hat“, sagt eine Sprecherin des Thüringer Justizministeriums. Andere Straftaten habe er nicht begangen.
Otto hat sich nicht an die so genannte Residenzpflicht gehalten. Sie erlegt Flüchtlingen eine „räumliche Beschränkung“ auf; Verstöße gegen diese nur in Deutschland existierende Bestimmung können mit bis zu einem Jahr Haft geahndet werden.
Otto lebte in einem abgelegenen Asylbewerberheim im thüringischen Saale-Orla-Kreis. „Er ist jedoch bei polizeilichen Kontrollen mehrfach außerhalb dieses Landkreises angetroffen worden“, sagt Dieter Marufke, Richter am Amtsgericht Bad Lobenstein. Im letzten Jahr hat er Otto deshalb zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Doch der Kameruner habe gegen die Auflagen verstoßen: „Er sollte sich einmal pro Woche in seinem Heim in eine Liste eintragen“, sagt Marufke. Stattdessen sei Otto dort nicht mehr aufgetaucht. „Einen krasseren Verstoß gibt es wohl kaum“, sagt Marufke. Am 13. Dezember widerrief er deshalb die Bewährung. Das Strafmaß hält Marufke für angemessen. Ähnliche Urteile seien in der Vergangenheit schon öfter ergangen.
Genau dies bestreiten Flüchtlingsorganisationen. „Das ist das bei weitem härteste Urteil, das wir kennen“, sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. Ihm sei „kein einziger Fall bekannt“, in dem ein Flüchtling wegen Residenzpflichtverstößen so lange ins Gefängnis musste. Dabei seien diese Verstöße häufig: „Das ist auch völlig verständlich, die meisten Leute würden kaputtgehen, wenn sie sich daran hielten.“ Offiziell wird die Residenzpflicht damit begründet, dass Asylbewerber für das Asylverfahren erreichbar sein sollen. „Da wäre es mit einer Wohnsitzverpflichtung aber getan“, meint Mesovic. Der Paragraf sei schikanös und müsse weg.
Ähnlich äußerte sich die afrikanische Flüchtlingsorganisation The Voice aus Jena, bei der Otto Mitglied ist. „Er hat sich lediglich die Bewegungsfreiheit genommen, die außer Asylbewerbern jedem Menschen in Deutschland zusteht“, sagt Voice-Sprecher Osaren Igbinoba. Er sei wie alle Asylbewerber „ohne irgendein Verbrechen für Jahre zur sozialen Isolation in seinem Landkreis verurteilt gewesen“. Weil er dies nicht akzeptiert habe, werde er nun mit Gefängnis bestraft.
CHRISTIAN JAKOB