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Archiv-Artikel

Staatschef wackelt

Litauens Parlament stimmt mehrheitlich für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Paksas

STOCKHOLM taz ■ Für Litauens Präsident Rolandas Paksas wird es eng. Im Parlament soll heute das Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eingeleitet werden. Mit Fristablauf am Dienstagabend hatten 86 von 137 Parlamentariern einen entsprechenden Antrag unterzeichnet. Obwohl er nach dem Abschlussbericht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der ihn als „Sicherheitsrisiko“ bezeichnet, unhaltbar geworden zu sein scheint, verweigert Paksas einen Rücktritt.

In dem Bericht werden die Hinweise auf Kontakte zu fragwürdigen Kreisen der litauisch-russischen Wirtschaftsmafia als „erdrückend“ eingestuft. Deshalb hat ihm auch Premier Algirdas Brazauskas einen Rücktritt dringend nahe gelegt. Der Staatspräsident sei, so der Bericht, seiner besonderen Verantwortung für Innen- wie Außenpolitik nicht gerecht geworden. Kriminelle Kreise, zu denen zumindest seitens seines Beraterstabs Beziehungen bestanden, seien in ungesetzliche Waffengeschäfte verwickelt und es gebe Verbindungen zum russischen Geheimdienst. Zudem ist auch von „fragwürdigem Umgang“ mit Nato-Geheimpapieren seitens der Präsidialkanzlei die Rede.

Hartnäckig halten sich in Vilnius Gerüchte, wonach der litauische Staatsschutz die entscheidenden Tipps gegen Paksas von der CIA erhalten habe. Paksas wird auch vorgeworfen, einen seiner Wahlsponsoren, den russischen Geschäftsmann Juri Borisow, davor gewarnt zu haben, dass der litauische Geheimdienst dessen Telefone abhöre.

Das Amtsenthebungsverfahren wird zeigen, was an diesen Vorwürfen juristisch zu beweisen ist. Paksas hat in den letzten Wochen die Beschuldigungen als Versuch bewertet, ihn politisch zu vernichten. Tatsächlich hatte er sich mit Gründung seiner populistischen Partei und seinem Law-and-Order-Präsidentenwahlkampf weite Teile des litauischen politischen Establishments zum Feind gemacht. In Vilnius gilt der Impeachment-Prozess als schwere Belastung für das Land an der Schwelle zum EU- und Nato-Beitritt.

In einem ersten Schritt wird das Parlament einen Ausschuss einsetzen, der die inhaltlichen und formalen Voraussetzungen für eine Amtsenthebung untersuchen soll. Um Paksas seines Amtes zu entheben, wäre eine parlamentarische Mehrheit von 85 Stimmen nötig. Laut einem Bericht der Tageszeitung Lietuvos rytas soll Paksas am Wochenende bei einer öffentlichen Veranstaltung einen Rücktritt angedeutet haben, sollte sich eine derartige Mehrheit zum jetzigen Zeitpunkt – was am Dienstag der Fall war – abzeichnen. Diese Meldung dementierte Paksas’ Pressesprecher aber als „Missverständnis“. REINHARD WOLFF