: Fischer kritisiert Israels Grenzzaun
Bei einem inoffiziellen Besuch trifft der deutsche Außenminister auch den palästinensischen Ministerpräsidenten und lädt ihn nach Berlin ein. Er bezeichnet die Genfer Friedensinitiative als ein „Hoffnungslicht“ und plädiert für eine Zwei-Staaten-Lösung
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Bundesaußenminister Joschka Fischer hat sich bei seinem Israel-Besuch nicht mit dem dem palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat getroffen. Er treffe ja auch den israelischen Präsidenten nicht, entzog er sich gestern einer entsprechenden Frage von Journalisten. Fischers inoffizieller gestriger Besuch ging auf eine Einladung des Interdisziplinären Zentrums für Politik und Strategie in Herzlia zurück, das diese Woche die jährliche dreitägige Konferenz zur „Nationalen Agenda“ veranstaltet.
Im Verlauf seiner gut halbstündigen Ansprache vor rund 500 Zuhörern kritisierte Fischer mit ungewohnt scharfen Worten den Verlauf der derzeit von Israel errichteten Trennanlagen. Niemand stelle „das Recht Israels zur Selbstverteidigung in Frage“, betonte er wiederholt. Auch die Bundesrepublik erkenne das ohne Bedingungen an. Dennoch müsse der Sicherheitszaun entlang der Waffenstillstandslinie von 1967 verlaufen. Die von der Regierung in Jerusalem beschlossene Route, die stark davon abweicht, sei in Europa „schwer zu verstehen“. Die Sperranlage ist einer der Hauptstreitpunkte zwischen Israel und den Palästinensern.
Der Bundesaußenminister traf am frühen Vormittag mit dem palästinensischen Premierminister Ahmed Kurei (Abu Ala) zusammen, dessen Büro nicht weit hinter der jüngst zwischen Jerusalem und Abu Dis errichteten Trennmauer liegt. Abu Ala berichtete seinem Gast von den Vorbereitungen für ein Gipfelgespräch mit dem israelischen Premierminister Ariel Scharon, das schon vor drei Wochen geplant war. Ein konkreter Termin steht nach wie vor aus. Fischer nannte das anvisierte Treffen „einen wichtigen Schritt“. Am Ende des Gesprächs äußerte er seine Hoffnung, Abu Ala in naher Zukunft „in Berlin zu sehen“.
Mit „Interesse“ verfolge er die in Israel geführte Debatte über demografische Entwicklungen, die führende Politiker im Likud bereits zu Überlegungen über einen einseitigen Abzug aus den palästinensischen Gebieten veranlasst haben. „Eine Demokratie kann langfristig die Rechte der Mehrheit nicht ignorieren“, sagte Fischer und appellierte an Israel, die „Chance, die Zwei-Staaten-Lösung zu erreichen, nicht zu verpassen“. Den privaten Entwurf für einen Friedensvertrag „Genfer Initiative“ nannte er ein „Hoffnungslicht“, dennoch müsse der „wahre Fortschritt von Regierungsseite kommen“. Die USA werden dabei „die Vermittler sein“.
Mit Blick auf die Palästinenser forderte Fischer „klare Signale“, vor allem im Kampf gegen den Terror. An Israel appellierte er, die „illegalen Siedlungen“ aufzulösen. Seine Rede in Herzlia beendete er mit den Worten: „Ich bin ein unheilbarer Optimist und glaube, dass Frieden im Nahen Osten möglich ist.“ Hinsichtlich der Entwicklungen im Irak blieb der Minister indes skeptisch: „Wir fürchten, dass die Folgen des Krieges nicht kontrollierbar sein werden.“
Fischers Amtskollege Silvan Schalom stellte sich anschließend vehement gegen einseitige Maßnahmen der israelischen Regierung und nannte die von Vizepremier Ehud Olmert in Aussicht gestellte Auflösung von Siedlungen einen „Preis für den Terror“. Mit Spannung wird in Israel die für heute Abend geplante Rede Scharons erwartet, die mehr Klarheit über die Position des Regierungschefs auch in dieser Frage bringen wird.