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Archiv-Artikel

Auf Lebenszeit geschädigt

Hamburger vergewaltigte seine Stieftochter über 50-mal: acht Jahre Haft. Staatsanwaltschaft bewertet Täter als besonders „rücksichtslos und kaltblütig“

Die Verlesung der Anklageschrift lässt den Atem stocken. „Der Angeklagte hat systematisch und brutal die Lebensgrundlagen eines Mädchens zerstört und seine psychische Entwicklung auf Lebenszeit geschädigt“, fasst der Anwalt der Nebenklägerin, Hans-Wolfgang Sternsdorff, später das zusammen, was vor dem Hamburger Landgericht gestern verhandelt wurde.

Zwischen 1993 und 2004 soll der gebürtige Iraner Mohamed M. sich mindestens 94-mal an der 1987 geborenen Tochter seiner Lebensgefährtin sexuell vergangen haben. Spätestens ab 1999 soll der dreifache Vater die damals 12-jährige Sümeyra D. dabei auch zum Analverkehr gezwungen haben – mehrmals pro Woche und über Jahre hinweg.

Dem Mädchen drohte der heute 49-jährige Täter, es umzubringen, wenn der langjährige Missbrauch herauskommen sollte. Doch die Beweise für die Taten lieferte Mohamed M. schließlich selbst, indem er die Vergewaltigungen mit seiner Videokamera dokumentierte.

Die Bilder bleiben den Prozessbeteiligten während der Verhandlung erspart. Auch die Aussage der Geschädigten, die infolge des Märtyriums dreimal versuchte sich das Leben zu nehmen, wird vom Gericht nicht benötigt. Denn der Angeklagte gesteht 51 sexuelle Übergriffe, die ihm seit 1999 zur Last gelegt werden, unumwunden ein.

Als „Gegenleistung“ wird das Verfahren über die 43 Missbrauchshandlungen, die vor dem zehnten Lebensjahr der Geschädigten stattgefunden haben sollen, eingestellt. Denn in diesen Fällen, betont der Richter, sei vermutlich ohnehin „keine Konkretisierung“ mehr möglich.

„Der Angeklagte, der Probleme mit seinem Selbstwertgefühl hat, „genoss die Macht und Kontrolle“, die er gegenüber seiner „Stieftochter“ durch den fortwährenden Missbrauch ausübte, erläutert die sachverständige Psychologin die Motivation des Täters. Eine krankhafte „Lust an der Gewalt“ sei bei ihm ebensowenig festzustellen wie eine pädophile Neigung. Das Persönlichkeitsprofil, das die Gutachterin von dem Angeklagten entwirft, klingt erschreckend normal. Gerade das aber macht das Erschrecken über seine Grausamkeit nur noch größer.

Auf acht Jahre Haft plädiert der Staatsanwalt, weil Mohamed M. zwar „rücksichtslos und kaltblütig“ vorgegangen sei, aber schließlich umfassend gestanden habe. Ein Strafmaß, dem sich das Gericht anschließt, bevor es dem Angeklagten mit auf den Weg gibt: „Sie müssen jetzt herausfinden, welcher Teufel sie geritten hat.“ Marco Carini