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Archiv-Artikel

Der leise Anfang vom Ende der Länderfusion

Zaghaft nimmt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) Abschied vom Zeitplan der Vereinigung. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist enttäuscht: Er wollte kämpfen. Aussprache im Frühjahr

Wenn Paare, die einmal eine gemeinsame Zukunft planten, sich trennen, überlegen sie manchmal anschließend: Wann sind wir gescheitert? Was war der entscheidende Moment? Die Bundesländer Berlin und Brandenburg sind so ein Paar mit Plänen: Sie betreiben gemeinsam öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wollen ihre Gerichte zusammenlegen und 2009 mit einer Länderfusion sogar eins werden. Wenn später überlegt wird, wann diese Pläne gescheitert sind, wird man vielleicht sagen: Im Dezember 2003 ist Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ausgestiegen.

Und das völlig überraschend: Am Mittwoch trafen sich der Berliner Senat und die Brandenburger Landesregierung zu einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Potsdam. Ein Termin, der als so langweilig eingeschätzt wurde, dass die meisten Berliner Zeitungen nicht einmal Berichterstatter entsandten. Während der Sitzung aber deutete sich eine Neuigkeit an: Platzeck artikulierte völlig unvermittelt Zweifel, ob der Zeitplan zur Fusion eingehalten werden könne. Auf Wowereits Initiative vereinbarte man daraufhin ein Treffen Ende Januar/Anfang Februar, auf dem darüber gesprochen werden soll. Noch blieb Berlins Regierender Bürgermeister gelassen, schließlich war die Nachricht noch nicht in der Welt. Auf der anschließenden Pressekonferenz bekräftigte Wowereit deshalb ausdrücklich die Berliner Treue zu den gemeinsamen Verabredungen: 2006 soll es eine Volksabstimmung geben. 2009 soll vereinigt werden. Nicht so Platzeck: Auch auf Nachfrage bekannte er sich nicht zum Zeitplan. Und legte anschließend nach: Es sei völlig offen, ob angesichts der Berliner Finanzprobleme überhaupt eine Fusion in absehbarer Zeit möglich sei. Den völlig zutreffenden Eindruck, er verkehre seine bisherige Haltung zur Fusion in ihr Gegenteil, versuchte Platzeck zu zerstreuen: „Dass das für Brandenburg ein Problem ist, weiß doch jeder.“

Platzecks Verhalten ist schwer erklärbar: Zwar scheiterte im dünn besiedelten Flächenland auch der erste Fusionsversuch 1996. Heute sind die Umfragen wieder schlecht, das Lager der Fusionsgegner wächst sogar. Andererseits war immer klar, dass die Fusion nur mit einer politischen Kraftanstrengung erreicht werden könnte. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Da die PDS in Berlin Senat und Fusionspläne stützt, kann sie – anders als 1996 – diesmal kaum die Fusionsängste schüren. Platzecks Argument, das Berliner Finanzdesaster, wirkt vorgeschoben: Das Problem ist lange bekannt. Fraglich ist auch, mit welchem Projekt Platzeck langfristig reüssieren will: Die von Manfred Stolpe geerbten Großprojekte wie Cargolifter, Lausitzring und zuletzt Chipfabrik sind geplatzt. Das Projekt Länderfusion ruiniert Platzeck nun selbst. Ob Platzeck die Landtagswahlen am 19. September 2004 fürchtet? Bislang galt zwischen CDU, SPD und PDS die Absprache, im Wahlkampf die Fusion, die eigentlich alle für notwendig halten, auszusparen. Während die PDS gestern sofort in alte Anti-Fusion-Reflexe verfiel, erklärte der CDU-Chef Jörg Schönbohm, Platzecks Koalitionspartner, Innensenator und Hauptkonkurrent, er stehe zum Fusions-Zeitplan.

In Berlin ist der Unmut größer, als öffentlich eingestanden wird. Anders als etwa der SPD-Vorsitzende und Stadtentwicklungssenator Peter Strieder verficht der Regierende Bürgermeister die Fusionsidee aus echter Überzeugung. Wowereit nimmt Platzeck übel, dass er den Kampf um die Zustimmung seiner widerspenstigen Brandenburger gar nicht erst aufnehmen will. Er hält ihn, kurz gesagt, für ein Weichei. ROBIN ALEXANDER