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Archiv-Artikel

zwischen den Rillen Der letzte Soul Man

Seit fünfzig Jahren im Geschäft: Nun organisieren Ron Isley und seine Brüder auf zwei neuen Alben die Thronfolge im schwarzen Pop

VON TOBIAS RAPP

Es muss wohl diese Stimme sein. Wie sie am Ende von „Take A Ride“ noch ein paar Kapriolen schlägt, wie sie in „A House Is Not A Home“ in ein klagendes Dadadada verfällt. Ron Isley hätte sich auch in den späten Siebzigern schon aus dem Geschäft zurückziehen können und wäre als einer der großen Soulsänger in Erinnerung geblieben – einer der letzten aus der von Sam Cooke geprägten Schule der Soul Men. Es ist sein wunderbarer Falsettgesang, der Ron Isley auch nach fast fünfzig Jahren im Musikgeschäft on top of the game hält.

Allerdings nicht nur. Zwei Platten hat Ron Isley im vergangenen Jahr veröffentlicht: „Body Kiss“, zusammen mit seiner Familiengruppe Isley Brothers, ließ er von dem R-&-B-Produzenten R. Kelly produzieren, während er sich für „Isley Meets Bacharach“ vor ein von jenem arrangiertes und dirigiertes Orchester stellte. Alben, die unterschiedlicher kaum sein könnten und am Ende vor allem eines zeigen: Für einen Soulmann der alten Schule ist es im Grunde gleich, vor welcher Klangkulisse er sich ans Mikrofon stellt. Es ist die Stimme, die das Gefühl transportiert.

Nun war Anpassungsfähigkeit an den herrschenden Sound bei gleichzeitigem Bestehen auf einer individuellen Auslegung schon immer ein Kennzeichen der Isley Brothers. Keine Gruppe in der schwarzen Popmusik dürfte so lange so erfolgreich dabei sein, wahrscheinlich in der gesamten Popmusik nicht. Seit 1955 gibt es sie, und an jeder Drehung und Wendung des R & B waren sie beteiligt.

Als Gospelgruppe begannen sie, wechselten in den späten Fünfzigern zum Doowop, unterschrieben in den frühen Sechzigern beim Motown-Label und hatten mehrere große Hits, von denen „Twist and Shout“ heute zum Kulturerbe der Menschheit gehört. Jimi Hendrix spielte eine Weile bei den Isleys Gitarre. In den Siebzigern waren sie eine der erfolgreichsten Funkgruppen – „Fight The Power“ ist einer der Slogans, den sie in jener Phase prägten. In den Achtzigern schließlich definierten sie mit „Between The Sheets“ den Schlafzimmersoul.

Jede andere Gruppe wäre längst in den Oldiezirkus übergewechselt. Mit „Body Kiss“ spielen die Isley Brothers nach wie vor für das Mainstream-Radio. Das geht allerdings nicht ohne einen gewissen Souveränitätsverlust. Vor einigen Jahren schon hatte R. Kelly Ron Isley eine Gastrolle in einem seiner Videoclips spielen lassen: als alternder Mafiosi, dem die Frauen abtrünnig werden, weil sich mit Kelly ein junger Nachwuchsplayer bereit macht, das Reich des Alten zu übernehmen. Mr Biggs heißt Isleys Alter Ego, und an dem Prinzip hat sich auch auf „Body Kiss“ nichts geändert. Isley gibt den alten Patriarchen, dessen Macht nicht mehr so weit reicht wie sein Ruf, dessen Frauen mit anderen Männern um die Häuser ziehen und dem nicht viel anderes übrig bleibt, als sich darauf vorzubereiten, seine Macht zu übertragen.

Der Name Biggs ist angelehnt an Biggie Smalls, den ermordeten Gangsterrapper: Die Machtübergabe von Isley auf Kelly steht für die Ablösung des alten Soulmodells durch ein neues. Der letzte der noch gospelgeprägten Sänger passt sich in ein Zeichensystem ein, dessen Referenz nur noch bedingt die Kirche ist. Wichtiger sind die Images der Straße, seien sie nun real oder imaginär. Der juwelenbesetzte Spazierstock, den Biggs auf dem Cover in der Hand hält, dürfte sowohl als Statussymbol taugen als auch dafür, nicht auf dem rutschigen Pflaster auszurutschen.

Wenn sich R. Kelly durch seine Zusammenarbeit mit Ron Isley seiner Thronfolgerschaft versichert, so dürfte sich Burt Bacharach mit Isley zusammengetan haben, um ein weiteres Kapitel seines künstlerischen Vermächtnisses einzuspielen. Aufgenommen mit einem 40-köpfigen Orchester am historischen Ort, den Capitol-Studios in Hollywood, wo schon Frank Sinatra seine klassischen Aufnahmen einspielte, ist „Isley Meets Bacharach“ – nach Bacharachs Aufnahmen mit Elvis Costello – eine weitere Platte in diesem Fahrwasser.

Es sind alles Stücke aus den Sechzigern und frühen Siebzigern, die Isley hier singt: „The Look of Love“, „Raindrops Keep Falling On My Head“, „A House Is Not A Home“, „This Guy’s In Love With You“. Meist Stücke, die Bacharach in den Sechzigern zusammen mit Dionne Warwick einspielte, mit der Ron Isley damals liiert war. Klang in den Interpretation von Warwick immer noch der direkt empfundene Schmerz durch, wenn sie klagte, das Haus sei kein Heim mehr, seit sie allein sei, so erzählt Ron Isley dies als eine Geschichte erfahrenen Leids. Über all den perfekt gesetzten Streichern wird man allerdings das Gefühl nicht los, dass etwas von der Grundaggression der Isley Brothers diesen Stücken nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte.

The Isley Brothers: „Body Kiss“; Ron Isley & Burt Bacharach: „Isley Meets Bacharach“ (beide Universal)